Alessandro Zanardi "Ein bisschen wie Jimi Hendrix"
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Alessandro Zanardis virtuose Arbeit am Steuer des BMW M8 GTE

(Speed-Magazin.de) Die Ingenieure bei BMW M Motorsport vergleichen ihn mit einem Schlagzeuger, Alessandro Zanardi (ITA) selbst sagt: „Ich fühle mich ein bisschen wie Jimi Hendrix.“ Wie der BMW Werksfahrer den BMW M8 GTE, mit dem er im Januar die 24 Stunden von Daytona (USA) bestreiten wird, steuert, ist eine virtuose Meisterleistung. Gemeinsam mit BMW M Motorsport hat Zanardi ein spezielles System entwickelt, das es ihm ermöglicht, wie gewohnt über einen Gasring am Lenkrad Gas zu geben, nun aber auch über einen Bremshebel per Hand zu bremsen.

„Als wir uns Gedanken darüber gemacht haben, was nötig ist, damit ich das Auto in einem Langstreckenrennen länger fahren kann, war die Idee, die Beinprothesen ganz wegzulassen und alles mit meinen Händen zu machen“, erzählt Zanardi. Und so reifte der Plan, statt eines Bremspedals, das er mit seiner Beinprothese über die Bewegung der Hüfte bedient, einen Bremshebel einzubauen. Dieser ist auf dem Kardantunnel montiert und mit der Bremse verbunden. Gas gibt Zanardi über einen Gasring am Lenkrad, überwiegend mit der linken Hand. Über eine Schaltwippe am Lenkrad kann er die Gänge wechseln. Gleichzeitig ist aber am Bremshebel ebenfalls ein Schalter angebracht, mit der er beim Anbremsen von Kurven herunterschalten kann.

Die erste Bewährungsprobe in einem Rennen hatte das neue System bei Zanardis DTM-Gaststart im August in Misano (ITA). Mit Erfolg: Zanardi fuhr im modifizierten BMW M4 DTM im Sonntagsrennen spektakulär auf den fünften Platz. Danach machten sich die BMW M Motorsport Ingenieure und Zanardi auf Basis der in Misano gewonnenen Erkenntnisse daran, das System für die 24 Stunden von Daytona (26./27. Januar 2019) weiter zu optimieren.

„Als ich in Misano mit dem DTM-Auto gefahren bin, habe ich festgestellt, dass ich mit meiner rechten Hand sehr viel zu tun habe“, berichtet der Italiener. „Ich konnte meine Hand zum Beispiel nicht lange genug am Lenkrad lassen, um den Funkknopf zu drücken und mit der Box zu sprechen. Denn irgendwann kam die Kurve, und ich musste zum Bremshebel rüber greifen. Zu bremsen ist wichtiger als die Konversation fortzusetzen. Vor allem in einem 24-Stunden-Rennen muss man aber in der Lage sein, der Box mitzuteilen, was gerade passiert, wie sich das Auto anfühlt und so weiter. Wenn man eine so radikale Änderung vornimmt wie den Wechsel auf einen Bremshebel, dann tauchen damit zusammenhängende Dinge auf, die man anpassen muss. Die Erfahrungen aus Misano haben uns geholfen, andere Lösungen zu finden, indem wir manche Knöpfe und Schalter anders angeordnet haben.“

Neu ist auch eine hornartige Verlängerung an der linken Seite des Lenkrads: „In Linkskurven geht mein Arm so weit nach unten, dass ich Schwierigkeiten hatte, den Gasring zu erreichen. Diese Verlängerung ist so geformt, dass sie meiner Hand einen soliden Widerstand bietet, ich mich dagegen lehne und so den Gasring betätigen kann.“

All dies hilft Zanardi, den #24 BMW M8 GTE des BMW Team RLL beim 24-Stunden-Rennen von Daytona wie ein Uhrwerk um den Kurs zu lenken. Doch er betont: „Auch wenn es nicht schwierig aussieht, ist es tatsächlich alles andere als einfach. Während ich fahre, muss ich all die Knöpfe und Schalter bedienen. Es ist kaum möglich, sich einmal nur auf eines zu konzentrieren. Ich muss einen Knopf drücken, während meine Finger am Gasring hinter dem Lenkrad ziehen, ich muss herunterschalten, während ich den Bremshebel nach vorne drücke. Ich fühle mich ein bisschen wie Jimi Hendrix: Ich spiele mit beiden Händen.“

Und so warten in jeder Kurve hochkomplexe Abläufe auf Zanardi – die er koordinieren können muss: „Wenn du mit der Hand gegen den Bremshebel drückst, musst du gleichzeitig mit deinen Fingern andere Dinge tun. Ein Teil deiner Muskeln macht das eine, und andere Muskeln etwas ganz anderes. Das ist unglaublich kompliziert. Vielleicht wäre es für einen Gitarrenspieler einfacher, für jemanden, der es gewohnt ist, seine Hände so vielseitig und flexibel einzusetzen. Und während ich all das mache, ist mein Kopf ganz darauf fokussiert, den genau richtigen Druck auf den Bremshebel zu geben, aber gleichzeitig ziehe ich mit den Fingern auch leicht am Gasring, um etwas Power zu spüren, und ich lenke mit der linken Hand. Jeder einzelne Muskel muss also eine ganz bestimmte Operation durchführen, und dies muss alles synchron ablaufen. Und dann muss ich auch schnell etwas ändern können, falls etwas falsch läuft – wenn zum Beispiel das Auto in der Kurve quersteht oder ich zu spät und heftig bremse und das Vorderrad blockiert. Dann muss ich den Druck verringern und vielleicht etwas länger herunterschalten. Das ist manchmal ziemlich kompliziert.“

Alessandro Zanardi – der Virtuose im Cockpit des BMW M8 GTE ist bereit für die 24 Stunden von Daytona mit BMW M Motorsport und dem BMW Team RLL.

BMW Motorsport / ND