Fabian Keim und Frank Christian im Training mit ihrem Skoda Fabia R5
© Hans-Robert Richarz | Zoom

Skoda: „Rallye im Motorsport ist wie Zehnkampf in der Leichtathletik“

(Speed-Magazin.de) Der Landstrich zwischen Pößneck im Süden Thüringens und dem sächsischen Plauen, wo sich normalerweise Fuchs und Hase gute Nacht sagen, ist wie geschaffen für einen Urlaub in himmlischer Ruhe. Verträumte Dörfer mit Enten auf dem Weiher, Ackerbau, Viehzucht und viel dunkler Wald. Doch einmal im Jahr ist es mit der Beschaulichkeit vorbei. Dann machen sich PS-starke Motoren lautstark bemerkbar, driftet die Elite des Deutschen Rallyesports auf abgesperrten Straßen mit aberwitzigem Tempo um die Kurven, weil der Motorsportclub Pößneck e.V. sein größtes Motorsport-Event im Jahr veranstaltet, die Thüringen-Rallye. Sie fand dieses Mal zum 56. Mal statt.

Die Asphaltrallye im grünen Herzen Deutschlands bildete 2017 den sechsten von insgesamt acht Läufen der Deutschen Rallye-Meisterschaft. Verteilt auf zehn Sonderprüfungen hatten die Piloten knapp 142 Wertungsprüfungskilometer auf Bestzeit zu durchfahren – auf insgesamt 500 Kilometern quer durch den Südosten Thüringens am Rand des Thüringer Waldes, wo Johann Wolfgang von Goethe einst „Über allen Gipfeln ist Ruh“ verfasst hatte. Davon war während des Wettbewerbs natürlich nicht die Rede.

Besonders spannend: Nach zwei DRM-Siegen in Folge wollten die Deutschen Meister des Vorjahres, Skoda-Fabia-R5-Pilot Fabian Kreim und sein Beifahrer Frank Christian ihren Drei-Punkte-Rückstand in der Gesamtwertung in eine Führung verwandeln. Das Vorhaben gelang mit Bravour. Am Ende hatten nicht nur die beiden Champions des Vorjahres Bestzeiten auf allen zehn Wertungskursen erzielt und damit die Tabellenspitze in der Deutschen Rallyemeisterschaft zurückerobert. Ihre Markenkollegen Dominik Dinkel und Christina Kohl sorgten in einem weiteren Fabia R5 für einen Skoda-Doppelsieg. Insgesamt ist Skoda mit acht Siegen die erfolgreichste Marke bei der Thüringen-Rallye seit 17 Jahren.

Skoda Fabia R5: Fabian Kreim (r.) und Beifahrer Frank Christian
Skoda Fabia R5: Fabian Kreim (r.) und Beifahrer Frank Christian
© Skoda
Für das Tochterunternehmen des Volkswagen-Konzerns gehört der Motorsport seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts zur Unternehmens-DNA – zuerst auf zwei Rädern, ab 1908 auf vier. Damals wie heute dienten Erfolge im Motorsport als Marketinginstrument. In den 1930er-Jahren entschied sich das Unternehmen zum ersten Mal für einen Start bei der Rallye Monte Carlo und belegte auf Anhieb den zweiten Platz in der Klasse bis 1,5 Liter Hubraum. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs nahm Skoda 1950 sogar an den 24 Stunden von Le Mans teil, zehn Jahre später spielten Rallyes eine wichtige Rolle. Sie waren in den 60er-Jahren noch Langstrecken-Wettbewerbe mit Distanzen von mehreren tausend Kilometern. In der besonders hart umkämpften Klasse der Tourenwagen bis 1,3 Liter Hubraum erzielten die Skoda Octavia Klassensiege. Besonders stolz waren die Tschechen 1961 über den Erfolg bei der Rallye Monte Carlo: Zwei Finnen gewannen nicht nur die Klasse, sondern erkämpften sich außerdem den hervorragenden sechsten Platz im Gesamtklassement.

Von da an war es in erster Linie die Titeljagd auf Rallyepisten, die den Motorsport bei Skoda bestimmte. 1975 begann die Zeit des Skoda 130 RS, der bei Rundstreckenrennen und im Rallye-Sport für Furore sorgte, weshalb er bewundernd „Porsche des Ostens“ bezeichnet wurde. Sein 1,3-Liter-Motor leistete 100 kW / 136 PS und beschleunigte das Auto auf bis zu 220 km/h. In dieser Konfiguration erzielte der 130 RS einen Doppelsieg in der Gruppe 2 bis 1,3 Liter Hubraum bei der Rallye Monte Carlo 1977. Zwischen 1976 und 1980 siegte er fünfmal in Folge bei der Rallye Bohemia. Und mit der Rundstreckenversion des 130 RS gewann Skoda 1981 die Markenwertung der Tourenwagen-Europameisterschaft. Insgesamt dürften die Rennsport-Erfolge der Tschechen in den vergangenen 116 Jahren ganze Bücher füllen.

Mittlerweile ist der Skoda Fabia R5 das erfolgreichste Fahrzeug in der Motorsportgeschichte der Marke geworden. Wie es das Reglement des Weltmotorsportverbandes FIA vorschreibt, ist das Auto mit einem 1,6-Liter-Turbomotor ausgestattet. Allradantrieb, ein sequenziell geschaltetes Fünf-Gang-Getriebe und MacPherson-Federbeine sind die weiteren technischen Eckdaten. In der Rallye-Weltmeisterschaft, in internationalen sowie nationalen Meisterschaften fährt er meist vorneweg und ist in seiner Kategorie das mit Abstand erfolgreichste Rallyeauto. Im Reigen der internationalen und nationalen Meisterschaften und Serien sticht die Asien-Pazifik-Meisterschaft (APRC) besonders hervor, die in Neuseeland, Australien, Japan, Malaysia und in den Wachstumsmärkten China und Indien ausgetragen wird.


© Skoda
Doch was macht neben der Wirkung als Werbung der Rallyesport für Skoda so interessant? Darauf gibt Fabian Kreim eine ganz einfache Antwort: „Rallye im Motorsport ist wie Zehnkampf in der Leichtathletik.“ Anders als bei einem Rundstreckenrennen, wo der Pilot ständig die gleichen Kurvenkombinationen zu meistern habe, würden ihn die unterschiedlichen Sonderprüfungen jedes Mal vor neue Herausforderungen stellen. Außerdem bildet jeder Rallyepilot mit seinem Beifahrer ein Team. Alles was der Fahrer bei einer Wertungsprüfung wissen muss – Tempo, Kurven, Gefahrenpunkte – bekommt er vom Beifahrer aus dem so genannten „Gebetbuch“ metergenau diktiert. Und Andreas Leue, Teamleiter Motorsport und Tradition bei Skoda, ergänzt: „Besonders wichtig ist auch die emotionale Seite. Die Fans an der Strecke fiebern mit und identifizieren sich mit Fahrer und Beifahrer im Rallye-Auto.“

Bis allerdings der Fabia R5 so weit war, dass er die Konkurrenz das Fürchten lehren konnte, war ein Haufen Arbeit nötig. Zwar erinnert die Karosserie des Muskel-Fabias für den Wettbewerb einigermaßen an seinen zivilen Bruder. Im Grunde genommen aber sind beide Autos so etwas wie Zwillinge von der gleichen Mutter, an denen jedoch zwei grundverschiedene Väter beteiligt waren. So etwas gibt es manchmal auch im richtigen Leben, doch zu erklären wie das geht, wäre hier der falsche Platz.

Der Kleinwagen Fabia ist nach dem Octavia der am meisten nachgefragte Skoda. Seit 1999 wurden weltweit mehr als vier Millionen verkauft, davon allein in Deutschland etwa 815 000 Stück. Von Januar bis Mai 2017 rückte die Limousine hierzulande auf Platz fünf in ihrem Segment auf. Noch beachtlicher schnitt die Kombiversion ab. Mit 52,9 Prozent entschieden sich in der gleichen Zeit mehr Kunden für sie als für alle Wettbewerbsmodelle zusammengenommen. Daher konnte sich Skoda bei der Modellpflege in diesem Jahr neben einigen neuen Infotainment-Systemen auf einen zusätzlichen Drei-Zylinder-Motor beschränken. Sie verfügen über einen Liter Hubraum, sollen sich durch effiziente wirtschaftliche Fahrleistungen auszeichnen und sind in den Leistungsstufen 70 kW / 95 PS und 81 kW / 110 PS erhältlich. Die Kraftübertragung erfolgt beim 70-kW-Motor über ein Fünf-Gang-Getriebe. Die Variante mit 81 kW steht sowohl mit manuellem Sechs-Gang-Getriebe als auch automatischem 7-Gang-Direktschaltgetriebe zur Verfügung.

Skoda 130 RS (1976)
Skoda 130 RS (1976)
© Skoda
Ganz anders der rasante Bruder, der seinen Beinamen R5 dem Rallye-Reglement verdankt. Um das im Laufe der Jahre unübersichtlich gewordene Rallyereglement einigermaßen zu ordnen, regelte es die oberste Motorsport-Instanz Fédération Internationale de l’Automobile (FIA) neu. Das bisherige Rallyeauto direkt unterhalb der Königsklasse WRC war der S2000. Das Reglement schrieb für diesen Typ einen Zwei-Liter Saugmotor vor, das sequentielle Getriebe durfte sechs Gänge haben. Allradantrieb war obligatorisch. Der Nachfolger dieser Klasse heißt jetzt R5, der Motor muss ein 1,6 Liter-Derivat aus einem Serienaggregat des Herstellers sein und wird mit einem Turbo zwangsbeatmet. Die Übersetzungsmöglichkeiten werden auf fünf beschränkt, und die Grundkarosserie des Serienwagens muss übernommen werden, darf aber für eine breitere Spur modifiziert werden.

Besonders wichtig ist der vorgeschriebene Höchstpreis für einen Wettbewerbswagen ab Werk. Er darf 180 000 Euro netto nicht übersteigen, um die Kostenexplosion im Motorsport zu dämpfen. Doch teuer kommt die Begeisterung für schnelle Autos immer noch. Bis ein solcher Wagen ernsthaft im Vorderfeld mitmischen kann, sind Modifikationen erforderlich, die sich etwa auf weitere 50 000 Euro belaufen. Auch die Ersatzteile, die ständig auf Vorrat gehalten werden müssen, schlagen mit rund 56 000 Euro zu Buche. Dabei profitiert der Fabia R5 davon, dass sich seine Ingenieure aus dem umfangreichen Teilesortiment des VW-Konzerns bedienen können. So arbeitet zum Beispiel in ihm der gleiche Turbolader wie bei Audi oder Bugatti, die Lenkung stammt vom VW-Nutzfahrzeug Crafter und wird den Rallyeansprüchen angepasst. Außerdem müssen die Fahrzeuge mit Nummernschild für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen sein, da sie die Wege von einer Wertungsprüfung zur nächsten auf eigener Achse und streng nach den geltenden Verkehrsregeln zurücklegen müssen.

Wenn sich Fahrer Fabian Kreim mit seinem Beifahrer Frank Christian im Renntempo in eine Sonderprüfung stürzen, muss zuvor ein großes Team gute Arbeit geleistet haben. Nachdem Kreim bei der Thüringen-Rallye erfolgreich das Ziel in Pößneck erreicht hatte, diktierte er den Journalisten ins Notizbuch: „Das ist ein Sieg zum Genießen. Danke ans ganze Team, wir haben uns extrem wohlgefühlt im Auto. Wir hatten die richtige Taktik, die perfekte Reifenwahl und mussten nie übers Limit gehen. Diese Rallye war extrem wichtig für die Meisterschaft.“ Nach der Drei-Städte-Rallye am 20. Oktober in Ostbayern, dem Saisonfinale der Deutschen Rallyemeisterschaft, wird feststehen, ob er Recht hatte.

AMPNET / ND