Walter Röhrl in seinem Element. Schauinsland. Freie Fahrt, nix los.
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AvD-Histo-Monte 2017 - Tag 2: Röhrl zieht davon und fällt zurück

(Speed-Magazin.de) Der Winter ist da: Ob morgens auf dem Schauinsland oder abends auf dem Col des Menthieres, immer wieder sorgte die weiße Pracht für spektakuläre Ausblicke, die manche aus dem Konzept brachten und andere nach vorne spülten.

Man könnte in gewohnter Manier damit beginnen, wie sich die Teams noch einmal wohlig in den Betten wälzen, außerhalb von Freiburg, im komfortablen Dorint-Hotel an den Heilquellen. Man könnte.

Aber stellen wir uns doch lieber etwas später, gegen halb acht, ein paar hundert Höhenmeter weiter oberhalb auf den Schauinsland, den Hausberg der Freiburger, der noch starr und blau in der winterlichen Kälte schläft. 780 Höhenmeter Bergrennstrecke, die sich auf zwölf Kilometern in 173 Kurven zur Passhöhe winden. Von 1925 bis 1984 war es die längste Herausforderung dieser Art in Deutschland überhaupt. Und während an den schönsten Kurven schon so manche Fotografen bibbern, kommt da etwas herauf. In kurzen, gut dosierten Stößen, unüberhörbar, unaufhaltsam, unmissverständlich.


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Es ist die ganz spezielle Morgengabe des Audi quattro. Startnummer 1, die Vorjahressieger der AvD-Histo-Monte Dietmar Gornig und Stephan Hinze erreichen zuerst den Scheitel, dann dauert es nur noch wenige Augenblicke und die Startnummer 8 kommt vorbeigeflogen, kaum einen Moment für den Auslöser lassend. Walter Röhrl in seinem Element. Schauinsland. Freie Fahrt, nix los, dazu klare Luft, und die Temperatur deutlich unter null. „Das war sehr schön,“ sagt der Rallye-Weltmeister später, „vor allem, weil die Strecke nicht ganz trocken war.“

Dann folgen die Startnummern 2 bis 7, 9 und so weiter … Hoch auf dem Pass gibt es Kaffee bei Bott und nun erstrahlt die Sonne im Osten, während die Täler noch in tiefes Nebelmeer gehüllt sind. In weiten, unendlich weiten Wogen schieben sich vor uns die Wipfel des hohen Südschwarzwalds hintereinander und sinken ins intensivere Blau. Alles vergeht undeutlich in der Ferne, nur der Weg dahin und hindurch, der liegt als Roadbook auf den Knien des Beifahrers.

Das Feld taucht wieder ab in den Nebelschwaden, auf und ab. Schmale Straßen, enge Kurven, steile Felsen, so geht es dem Rhein und somit der Schweiz entgegen. Dann Rheinfelden, alte Grenze. Den Initiatoren von Plusrallye ist es gelungen, die historische Bogenbrücke samt anliegender Altstadt für die AvD-Histo-Monte zu öffnen. Was sonst nur noch den Fußgängern erlaubt ist; hier rollen nun die automobilen Raritäten, und das Publikum ist ebenso bunt wie Jung und Alt, vom rüstigen Biker bis zum neugierigen Kita-Stöpsel.


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Aus dem Rheintal heraus steigt die Route alsbald ins Obere Jura, und auch hier wird die traditionsreiche Bergrennstrecke St. Ursanne – Les Rangiers in das Roadbook eingebunden; Kurven, wie sie sein müssen!
Doch schnell ist die Schweiz wieder verlassen und der Weg führt nun konstant nach Süd-West, wie eine Verheißung. Fast schon wie ein erster leiser Ruf aus Monte Carlo.

Am Lac de Saint-Point, in Malbuisson wird mittags schließlich getafelt, und wieder sind über 300 Kilometer bewältigt. Aber der Sonnenschein entschädigt für das freiwillig installierte Sportgestühl, das im Tageslauf der polternden Nebenstraßen gern mal die kommode Maske fallen lässt, um sich als grobschlächtige Büßerbank zu präsentieren.

Doch wer hätte es anders gewollt?

Denn ja, die AvD-Histo-Monte ist einem der ältesten Abenteuer aus der Zeit der Motorisierung nachempfunden. Die Rallye Monte Carlo führt seit 1911 in das kleine Fürstentum der Grimaldis – und die Histo-Monte wandelt auf diesen historischen Spuren. Sie huldigt den großen Jahren, in denen die individuelle Mobilität als ein unschätzbarer Grundzug unserer Freiheit begriffen wurde.

Die Nachmittags-Etappe wartet mit echten Monte-Bedingungen auf. Durch den Parc naturel de Haut Jura und bald auch in Serpentinen hinauf auf den Col de Menthieres. Hier liegt nicht nur Schnee auf der Straße, Frau Holle lässt es auch leise rieseln auf die lauten Rallyeautos. 200 Kilometer gilt es so noch einmal zu bewältigen, bis in der Dunkelheit der Marktplatz von Aix-les-Bains als Tagesziel erreicht wird. Hier in der Stadt der heißen Schwefelquellen, bereits mondänes Reiseziel der Belle Epoque, wartet ein Spalier Zuschauer, sie feiern jeden und Röhrl besonders, weil Aix-les-Bains schon damals zur Rallye Monte Carlo gehört hat. Über Nacht bereitet man sich hier auf den dritten Tag vor, der über Grenoble und Crots bis an die Côte d‘Azur führen wird.


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Die wechselhaften Bedingungen sorgten auch für zahlreiche Verschiebungen in den Ergebnislisten: Volker Scheck und Yves Chantraine (Lancia Delta) beispielweise fielen vom ersten auf den 29. (!) Platz zurück. Bergab ging es auch für die drei VIP-Fahrer. Walter Röhrl ging heute seinem Naturell nach und ließ die Gleichmäßigkeitsprüfungen Gleichmäßigkeitsprüfungen sein. Das Resultat ist ein Abrutschen von Platz fünf auf 74. Knapp davor liegt der siebenfache Deutsche Rallye-Meister Matthias Kahle (Skoda 130 RS) auf Position 69. Star-Kabarettist Urban Priol (BMW 2000 Tilux) zeigt den beiden Rallye-Assen die kalte Schulter und belegt derzeit die 23. Position. An der Spitze präsentiert sich derweil ein ganz neues Bild: Die Wiener Dani Chylik/Birgit Dangl (BMW 2000 Tii Touring) sind neue Spitzenreiter vor Horst und Jörg Friedrichs (Opel Ascona A) sowie Horst Weck und Udo Pilger (Porsche 356 SC Coupé).

Vorschau: Tag 3 von Aix-les-Bains nach Cannes
Mit Beginn der zweiten Halbzeit wird die Luft dünner – nicht nur an der Spitze der Rallye. Am Vormittag erklimmen die Teams den höchsten Punkt in 25 Jahren AvD-Histo-Monte. 2058 Meter ragt der Col du Lautaret in die Höhe und zählt damit zu den höchsten Erhebungen in den französischen Alpen, die im Winter befahren werden können. Nach dem Gipfelsturm geht es mit einer Rutschpartie auf der spektakulären Eisrennstrecke von Serre-Chevalier weiter. Doch nicht nur hier haben die Oldtimer mit Schlupf zu kämpfen: der Mont Revard vor den Toren von Aix-les-Bains präsentierte sich bei der Vorab-Besichtigung winterlich – und für den Lautaret ist nächtlicher Schnee vorhergesagt. Temperaturen um den Gefrierpunkt dürften in der zweiten Tageshälfte keine Rolle mehr spielen. Wenn sich die Reisegruppe durch den Grand Canyon du Verdon dem Mittelmeer nähert, landen die Winterjacken im ohnehin schon vollgestopften Kofferraum.

AvD-Histo-Monte / DW