Formel 1: Warm-Up und Regeneration - so bleiben die F1-Stars körperlich fit
Noel Carroll ist der Physical Performance Coach des Scuderia Alpha Tauri Piloten Daniil Kvyat. Was sein Schützling macht, bevor er sich am Rennsonntag ins Auto setzt und welche Erholung die beste ist, verrät Carroll im Interview.Wie anstrengend ist ein Formel-1-Grand-Prix für den Körper eines Athleten?
Ich glaube, es gibt ein kleines Missverständnis dahingehend, Formel 1 sei kein körperlich anstrengender Sport. Aber in der Tat gibt es eine sehr einzigartige Kombination von Faktoren, nicht nur die Hitze und das Wetter, sondern auch das Auto selbst, die Schichten der feuerfesten Kleidung und auch der Helm, was bedeutet, dass es für die Fahrer sehr schwierig ist, jegliche Hitze zu verlieren. Es kommt zu einer Art Hitzeschock, den der Fahrer überwinden muss. Dann gibt es die körperliche Anstrengung, ein Formel-1-Auto mit einer sehr kompromisslosen Ausstattung zu fahren: Es ist nicht wie bei unseren Straßenautos, die wir zur Arbeit fahren, die für Komfort gebaut sind, die F1-Autos sind für Geschwindigkeit gebaut. Der Fahrer muss das Auto aktiv fahren, er muss in den Kurven Kraft aufwenden, dies erfordert eine starke Muskelkraft des Fahrers. All dies in Verbindung mit der Tatsache, dass alles bei bis zu 300 Stundenkilometern abläuft. Hinzu kommen sehr technische Entscheidungen, die um die Fahrer herum getroffen werden, etwa die Informationen, die sie von den Ingenieuren erhalten und die eine Änderung der Einstellungen am Auto erforderlich machen könnten. Ich glaube also, dass es eine Reihe von Faktoren gibt, die letztlich zur Ermüdung führen. Es ist also nicht wie bei anderen Sportarten, wie zum Beispiel beim Marathonlauf, wo die körperliche Anforderung offensichtlicher ist.
Gibt es ein spezielles Aufwärmprogramm für Daniil vor dem Rennen?
Daniil durchläuft ein spezielles Aufwärmprogramm, bevor er ins Auto steigt. Wir bauen Bewegungen ein, die seine Körpertemperatur und Herzfrequenz erhöhen. Dazu verwenden wir klassisches Seilspringen. Danach arbeiten wir an der allgemeinen Ganzkörper-Flexibilität, nichts Ungewöhnliches. Dann beginnen wir, uns auf den Oberkörper zu konzentrieren, auf die Kräfte, die für die Lenkung notwendig sind, wir wollen die Stabilisatoren um die Schultergelenke vorbereiten. Gleichzeitig bereiten wir auch seine Hände auf die anstehenden Aufgaben vor. Und natürlich den Unterkörper, denn Daniil muss bei hoher Geschwindigkeit und in den Kurven enormen Druck auf das Bremspedal ausüben, um das Auto im Rennen zu steuern. Und dann schließen wir mit einer Mischung aus Spielen für die Reaktionsschnelligkeit ab. Daniil muss enorm wachsam sein und versuchen, seine peripheren Sehfähigkeiten zu stärken, die Hand-Augen-Koordination ist dabei wichtig. Wir verwenden eine Mischung aus Tennisbällen und verschiedenen Dingen, die reaktionsschnell gefangen werden müssen. Wir schließen mit der Vorbereitung des Nackens ab: Im Rennsport entstehen sehr hohe Kräfte, denen gilt es entgegenzuwirken, damit der Fahrer seinen Kopf in den Kurven oben halten kann.
Wie lange dauert das Aufwärmprogramm?
Die physische Komponente dauert zwischen zehn und fünfzehn Minuten, abschließend macht Daniil einige Atemübungen, damit er völlig bereit und konzentriert ist, ins Auto zu steigen.
Was macht Daniil direkt nach dem Rennen, um seine Muskeln zu entspannen?
Unmittelbar nach dem Rennen müssen die Fahrer vor den Offiziellen auf die Waage steigen bevor sie direkt zu den Fernsehinterviews gehen. Es ist also ziemlich schwierig für den Fahrer, herunterzukommen. Das Wichtigste, woran wir zu arbeiten beginnen, ist das Wiederauffüllen der Flüssigkeit, die er während des Rennens verloren hat. Wir wissen, das kann helfen, die Muskeln zu entspannen und hoffentlich verhindern, dass so etwas wie Krämpfe auftreten. Aber es kann einige Zeit dauern, bis er tatsächlich in seinen „driver’s room“ kommt, um sich richtig zu entspannen. Es ist also eine Art reaktiver Prozess nach dem Rennen. Nach einem sehr heißen Rennen zum Beispiel, würden wir zusätzlich versuchen, Daniils Körpertemperatur mit kalten Handtüchern zu senken.

Wie lange dauert es, bis der Körper nach dem Rennen wieder vollständig erholt ist?
Das hängt stark von der Art des Rennens ab. Wir haben am Sonntag beim ersten Rennen am Red Bull Ring gesehen, dass es ziemlich viele Safety-Car-Intervalle gab, die körperlichen Anforderungen im Highspeed-Bereich waren dadurch etwas geringer, auf der anderen Seite war aber viel mehr Lenkarbeit zu leisten, viel mehr Oberkörperarbeit nötig, um das Auto und die Reifen warm zu halten. Es gibt also zwei Arten von Müdigkeit: Die eine ist die „periphere Ermüdung“ des Muskelsystems, einschließlich der Arme und Beine. Und die „zentrale Ermüdung“ bei der es sich um das Gehirn und im Wesentlichen um das zentrale Nervensystem handelt, das Daniil hilft, während des Rennens im Auto Entscheidungen zu treffen. Beide Arten der Ermüdung dauern natürlich unterschiedlich lange. Zusammen erholen sich die beiden Systeme normalerweise zwischen 28 und 48 Stunden nach dem Rennen vollständig.
Wie stressig ist ein Back-to-Back-Rennen für die Fahrer?
Es ist ungewöhnlich, dass die Fahrer für zwei Rennen am gleichen Ort bleiben. Einer der Vorteile ist, dass sie zwischen den Rennen nicht reisen müssen. Denn manchmal fliegen sie von einem Land ins nächste und fahren sehr schnell hintereinander – was dann passiert: Müdigkeit und Stress erholen sich nicht linear, es ist, als ob man zu einem bestehenden Stressniveau noch ein bisschen mehr Stress hinzufügt. Aber wir haben hart trainiert, um uns auf solche Situationen vorzubereiten. Und das Trainingsprogramm von Daniil hilft uns dabei natürlich. Aber das Wichtigste ist, dass wir, während wir hierbleiben und zwei Rennen auf der gleichen Strecke fahren, auch Zeit abseits der Rennstrecke verbringen – einen „Tapetenwechsel“ machen. Das hilft Daniil, frisch zu bleiben und sich mental auf das nächste Rennen vorzubereiten, das vor ihm liegt.
Gibt es irgendwelche speziellen Tricks, um die Regeneration zu beschleunigen?
Erholung ist ein sehr heiß diskutiertes Thema. Es gibt viele verschiedene Arten von Technologien und Ausrüstung, die man kaufen kann. Aber ich glaube ehrlich gesagt, dass Schlaf, ausreichend Flüssigkeitszufuhr und eine gute Ernährung in den ersten Phasen nach dem Rennen am wichtigsten sind. Und gerade bei Einzelsportlern ist das beste Erholungsmittel jenes, an das sie selbst glauben. Es muss also nicht unbedingt eine sehr ausgefallene oder technologische Komponente sein, sie können einen Vorteil bringen, aber ehrlich gesagt: Nichts schlägt die „Basics“. Wenn man diese beachtet, kann man die Erholung sicher maximieren, aber ich glaube nicht, dass es irgendwelche Tricks gibt.
Projekt Spielberg / DW
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