David Lamb: "Silverstone besitzt eine ungewöhnliche Charakteristik"
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Formel 1 Silverstone 2012: Renault Sport F1 Technikfeature - Über kurz oder lang richtig in die Gänge kommen

(Speed Magazin) Der Silverstone International Circuit gilt auch nach den jüngsten Umbauten als Grand Prix-Strecke von echtem Schrot und Korn. Legendäre Highspeed-Passagen wie der Komplex Maggotts-Becketts, die furchteinflößende Copse Corner und die Hangar Straight wechseln sich mit technisch kniffligen Sektoren wie der neu gebauten Schleife und den Luffield-Kurven ab.

David Lamb ist als Ingenieur von Renault Sport F1 im Williams-Team für den Renault RS27-V8 im Auto von Spanien-Sieger Pastor

Spanien-Sieger Pastor Maldonado
Spanien-Sieger Pastor Maldonado
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Maldonado verantwortlich. Für ihn steht auf der britischen Traditionsrennstrecke ein Aspekt im Vordergrund: die Getriebeübersetzungen. Die sieben Gänge müssen eine große Breite an Geschwindigkeitsbereichen abdecken, damit der Motor möglichst oft im optimalen Leistungsbereich arbeitet. „Alle Verbrennungsmotoren haben eine bestimmte Leistungskurve und sind so konstruiert, dass sie in einem bestimmten Drehzahlbereiche besonders gut funktionieren“, beginnt David Lamb. „Silverstone besitzt aber eine ungewöhnliche Charakteristik, die die Auswahl der Gänge erschwert: Fast alle Ecken sind unterschiedlich schnell – von Kurven, die im zweiten Gang gefahren werden bis zum Sechster-Gang-Knick in Copse findest du praktisch alle Zwischenstufen. In Valencia vor zwei Wochen waren die Übersetzungen einfacher zu finden, weil sich die Kurvenradien dort alle ähneln.“

Die in der Formel 1 nie endende Jagd nach dem optimalen Kompromiss ist in England also aus Getriebesicht besonders schwierig. „Das Team simuliert am Computer verschiedene Übersetzungs-Varianten. Es geht immer darum, die Balance zwischen einer guten Beschleunigung und hohen Topspeeds zu finden“, bestätigt David Lamb. „Wenn es dir eher auf die Beschleunigung aus der Kurve ankommt, wählst du kürzere Übersetzungen. Aber um hohe Endgeschwindigkeiten zu erzielen, bist du auf höhere Drehzahlsprünge zwischen den oberen Gängen angewiesen. Diese größere Spreizung zwischen den tiefen und hohen Gängen führt dazu, dass sich der Motor für den Fahrer vergleichsweise träge anfühlt.“

Menschen haben kein verlässliches Gefühl für Geschwindigkeit – nicht einmal Formel 1-Fahrer, unterstreicht der Ingenieur: „Hier in Silverstone bist du sehr lange im fünften, sechsten und siebten Gang unterwegs, aber es gibt eben auch die langsamen Ecken. Tatsache ist, dass du hier die Rundenzeit eher in den oberen Gängen findest. Aber die Fahrer spüren das nicht. Sie achten generell mehr auf die Beschleunigung aus den Kurven heraus und fühlen, dass die nicht ganz so kraftvoll ist wie auf anderen Strecken. Aber

David Lamb:
David Lamb: "Fast alle Ecken sind unterschiedlich schnell in Silverstone"
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was sich wie ein Nachteil anfühlt, kommt in Wirklichkeit einer optimalen Rundenzeit zugute.“

„Unterm Strich suchst du immer einen Kompromiss – aber du kannst selbst bestimmen, wie der sich auswirkt. Und dabei kommt es immer auch auf die Fahrer an, auf ihre Art, die Gänge zu nutzen. Was wir auf jeden Fall vermeiden möchten, sind Schaltvorgänge mitten in einer Kurve, denn das würde die Balance des Autos stören.“

Bei der Suche nach den besten Rädern im Getriebe haben die Ingenieure allerdings keine freie Auswahl, wie David Lamb betont: „Vor der Saison werden für jedes Auto 30 Übersetzungen homologiert. Weil es über die gesamte Saison betrachtet mehr schnelle als langsame Strecken gibt, legst du dir mehr Optionen für die oberen Gänge bereit – für den fünften, sechsten und siebten. Das führt im Umkehrschluss dazu, dass du für den ersten und zweiten Gang mit je ein oder zwei Übersetzungsverhältnissen durch die Saison kommen musst. Für den dritten gibt es vielleicht drei unterschiedliche Gangräder und so weiter – bis zur großen Bandbreite in den obersten Stufen. Das heißt: Auf einem so abwechslungsreichen Kurs wie Silverstone haben wir nicht viel Spielraum.”

Renault / J Patric

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