Formel 1 Insider Lukas Gorys zum Qualifying: In der Tropennacht ist Leclerc die Nummer eins!
Überraschung am Äquator: Charles Leclerc erobert auf Ferrari die dritte Pole Position in Folge. In Spa und Monza war die Ferrari-Pole eher logisch, weil die Highspeed- Kurse in Belgien und Italien den Ferrari in die Karten spielten. Aber der Stadtkurs von Singapore war auf dem Papier eher Mercedes- oder Red Bull-Territorium . Dass Ferrari hier am schnellsten ist, muss Mercedes alarmieren. „Ich musste wirklich alles geben, um wenigstens zwischen die beiden Ferrari in die erste Reihe zu fahren“, kommentierte Lewis Hamilton seinen zweiten Platz. Dann gab er in Richtung von Leclerc gleich eine deutliche Ansage: „Ich freue mich auf aggressives Racing morgen!“ Hamilton hat Leclercs Manöver von Monza, als der junge Monegasse den Weltmeister beinhart dazu zwang, die Strecke in Richtung Notausgang zu verlassen, noch lange nicht vergessen. „Ich will nur wissen, wie hart wir fahren dürfen“, hatte er in Monza erklärt, „dann kann ich mich darauf einstellen“. Was das bedeutet, werden wir morgen im Rennen sehen...
Auch Leclerc ging für die Pole ans absolute Limit und hätte auf seiner letzten Runde zwei oder dreimal fast die Mauer berührt. Hamilton kam der Mauer einmal in Q2 zu nah, beschädigte das Auto dabei offenbar nicht. Auf dem Kurs von Singapore gehen Fahrer und Material komplett ans Limit. Bei über 30 Grad Lufttemperatur auch nach Sonnenuntergang herrschen in den Cockpits der Rennwagen fast 70 Grad. Auf der Runde gibt es wegen der vielen Kurven keinen Platz zum Erholen und die Fahrer kommen schweissgebadet aus der Nacht an die Boxen zurück und müssen danach mehrere Liter trinken, um ihre Flüssigkeitslevel aufzufüllen.
Max Verstappen dürfte über Platz vier etwas enttäuscht sein. Red Bull hat sich hier mehr ausgerechnet und wohl auch nicht mit der starken Performance von Ferrari gerechnet.
Hat Mercedes Ferrari unterschätzt?
Woher kommt es, dass jetzt im letzten Saisondrittel die Ferrari so aufdrehen? „Naja, wir verstehen endlich wie unser Auto funktioniert“, erklärte Leclerc nach dem Qualifying. Und Lewis Hamilton ergänzte: „sie haben verdammt gute Arbeit geleistet und bei uns ist es schon eine ganze Weile her, dass wir das letzte Mal ein Update auf dem Wagen hatten“. In der Tat scheint Mercedes die Weiterentwicklung nach Ungarn mehr oder weniger eingestellt zu haben und konzentriert sich schon längst mit dem größten Teil der Entwicklungskapazitäten auf die Saison 2020. Kam diese Entscheidung vielleicht etwas zu früh? Hat man Ferrari unterschätzt? Oder ist die Strategie genau richtig, schon jetzt auf 2020 zu setzen (und dann sobald das Reglement für 2021 finalisiert ist), den Fokus auch schon auf 2021 zu richten?
Fakt ist: Lewis Hamilton hat derzeit 101 Punkte Vorsprung auf Max Verstappen und 104 Punkte Vorsprung auf Charles Leclerc. Mit zweiten und dritten Plätzen in den kommenden sieben Rennen könnte Hamilton den WM-Titel auch nach Hause fahren. Er darf nur keine Ausfälle riskieren. Genau die drohen aber, wenn Hamilton seine Ansage wahr machen würde, aggressiver gegen Leclerc zu fahren. Deshalb kann es Leclerc morgen ruhig mal drauf ankommen lassen. Im entscheidenden Moment wird Hamilton zurückstecken und lieber die Punkte mitnehmen...
Sebastian Vettel als Tourist nach dem Qualifying..
Beste Teams hinter den Top drei von Ferrari, Mercedes und Red Bull sind erneut McLaren (diesmal mit Sainz auf P7) sowie die Renault (Ricciardo vor Hülkenberg). Und Sebastian Vettel? Der wurde erneut von seinem jungen Teamkollegen Leclerc um 3 Zehntel Sekunden geschlagen. Der Deutsche ging nach den Interviews erst mal seinen Overall ausziehen, anstatt zum traditionellen Top-Drei-Foto für die Fotografen zu posieren. In kurzen Hosen und Poloshirt joggte er dann zu dem Fototermin und sah neben Leclerc und Hamilton wie ein Tourist aus. Dabei hat der Deutsche morgen im Rennen durchaus Chancen auf den Sieg. Leclerc und Hamilton werden sich das Leben schwer machen. Ferrari wird Vettel als Strategie-Joker nutzen um Mercedes zu provozieren. Das kann für Vettel wie in Spa schiefgehen. Aber in Singapore kann auf den letzten Runden auch eine andere Reifenstrategie zum Sieg führen –sofern man sich aus allen Crashes heraus- und von den in Singapore überall drohenden Begrenzungsmauern fernhält.
Formel 1 GP Singapur Ergebnisse:
Lukas Gorys
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