„Ich fühle mich, als hätte ich gerade erst angefangen!“
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Formel 1 Insider Lukas Gorys zu den Ergebnissen GP Türkei: Hamil7on welt7meis7erlich

Schaut man auf das Ergebnis des GP der Türkei 2020, dann sieht man „nur“ einen weiteren Sieg von Lewis Hamilton. Aber dieser Sieg war viel mehr. Er war der Beweis (den man eigentlich nicht benötigt hat) dass Lewis Hamilton eben ein echter Champion ist, der auch unter widrigsten Umständen nach 14 Jahren in der Formel1 die optimale Leistung abliefert und der Konkurrenz haushoch überlegen ist.

Formel 1 Türkei GP in Istanbul 2020

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Das ganze Wochenende in Istanbul war Mercedes in Problemen. Auf trockener Piste rutschten die schwarzen Silberpfeile genauso herum wie im verregneten Qualifying. Lewis Hamilton stand auf der sechsten Startposition und das Rennen schienen heute andere unter sich aus zu machen. Hamilton hatte nur eine Aufgabe: Valtteri Bottas, den letzten verbliebenen theoretischen Konkurrenten um den WM-Titel 2020, heute hinter sich zu lassen. 
 
Bottas drehte sich schon in der ersten Kurve nach dem Start ins Aus, sodass die Aufgabe danach für Hamilton nur noch lautete: das Rennen irgendwie nach Hause bringen, um den WM-Titel mathematisch sicherzustellen. Mit dem Kampf um den Sieg schien er heute nichts zu tun zu haben. Lance Stroll führte von der Pole Position gestartet überlegen, Sergio Perez im zweiten Racing Point lag dahinter, vor dem sehr gut gestarteten Sebastian Vettel und Max Verstappen, der nur Vierter war, weil er einen sehr schlechten Start gehabt hatte.
 
Für die meisten, die nicht so richtig an einen Sieg von Lance Stroll glauben wollten, war Max Verstappen der Pilot mit den größten Siegeschancen, denn der Holländer ist normalerweise der Regenmeister der Formel1 und fährt auf sich ändernden Verhältnissen gewöhnlich in einer eigenen Liga. 

Mann des Tages war allerdings der alte und der neue Weltmeister Lewis Hamilton.
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Heute allerdings sind bei Max Verstappen irgendwie alle Sicherungen durchgebrannt.  In der 18. Runde versuchte Verstappen den zweitplatzierten Perez zu überholen und drehte sich in der schnellsten Kurve des Kurses zweimal. Dabei ruinierte er sich die Reifen und musste erneut an die Box zum Wechsel.  Auch später fuhr Verstappen über dem eigenen Limit und legte eine enttäuschende Performance hin. 
 
Bis zur 37. von 58 Runden sah Lance Stroll wie ein Sieger aus. Als er zum zweiten Mal auf Intermediates wechselte, war der Traum zu Ende. Dieser zweite Intermediate-Satz hat beim Racing Point des Kanadiers nicht funktioniert. Stroll beschwerte sich sofort, dass die Reifen zu körnen beginnen, kaum dass sie aufgezogen waren. Nun lag Perez in Führung, seines Zeichens ein Fahrer, der extrem schonend mit den Reifen umgeht. Dicht hinter ihm tauchte der zweite Reifenflüsterer Lewis Hamilton auf, den die zweiten Boxenstopps der Konkurrenz nach vorne gespült hatten. Jetzt war der Jagdinstinkt von Hamilton entfacht und er überholte den Mexikaner Perez innerhalb der nächsten Runde.  
 
Damit lagen die zwei Piloten, die am besten mit ihren Reifen haushalten, vorne. Dahinter spielten sich  die Szenen ab, die Red Bull Motorsport-Chef  Dr. Marko nach dem Rennen mit dem Satz „Die jungen Herren hatten heute nicht ihren besten Tag“ kommentierte. Sowohl Albon, der eigentlich auch gut unterwegs war, als auch noch einmal Verstappen leisteten sich unnötige Dreher. Auf dem zweiten Intermediate-Satz kam Leclerc vor Vettel und startete in der letzten Runde einen Angriff auf den zweitplatzierten Perez. Der Angriff ging schief, Leclerc verbremste sich und in der letzten Kurvenkombination der letzten Runde ging Sebastian Vettel noch am Ferrari-Teamkollegen vorbei und eroberte seinen ersten Podiumsplatz in dieser Saison. 

Gratulation an Lewis Hamilton und Mercedes für den 7. Formel 1 Weltmeistertitel!
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Mann des Tages war allerdings der alte und der neue Weltmeister Lewis Hamilton. Natürlich war es ein Gambling, die völlig abgefahrenen Intermediates (Hamilton absolvierte unglaubliche 50 Runden auf seinem Reifensatz!) nicht mehr wechseln zu lassen. Aber Hamilton erinnerte sich, dass er 2007 bei der Einfahrt in die Boxengasse in China einen ersten WM-Titel weggeschmissen hatte. „Das wollte ich nicht noch einmal riskieren.“ Und so fuhr Hamilton mit seinen völlig abgenutzten Reifen endgültig und direkt in den Olymp der Formel1. Er hat seinen siebten WM–Titel vier Rennen vor Saisonende erobert, seinen letzten verbliebenen Konkurrenten –Teamkollegen Bottas- durch Überrundung maximal gedemütigt und erster Gratulant war Sebastian Vettel mit den Worten: „Wir schauen zu, wie Du Geschichte schreibst“:   
 
Sein bemerkenswertester Satz folgte auf die Frage, wo denn nach seinen sieben Titeln das  Limit für ihn liege: „Ich fühle mich, als hätte ich gerade erst angefangen!“ 
 
Seine Konkurrenten, ob sie Max Verstappen, Charles Leclerc oder Valtteri Bottas heißen, wird dieser Satz in den Ohren klingen. Wenn sich die „jungen Herren“ nicht gewaltig anstrengen, wird der Siegeszug von Lewis Hamilton weitergehen. Denn dass „HAM“ weiterfährt, steht außer Frage. „Still I rise“ heißt seit Jahren sein Motto, das auf der Rückseite seines Helms aufgemalt ist. „Ich werde immer besser“ heißt das übersetzt. Die Jagd auf die letzten noch nicht gebrochenen F1-Rekorde ist für Lewis Hamilton noch lange nicht zu Ende.

Lukas Gorys

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