Formel 1 Insider Lukas Gorys: Das Safetycar macht den GP Brasilien zum Hitchcock-Thriller
53 der 71 Runden war der GP Brasilien eine relativ eintönige Veranstaltung. Bei 22 °C, blauem Himmel und damit idealen Rennbedingungen lief dieses Rennen so ab, wie sich Kritiker die aktuelle Formel1 vorstellen: Keine Zweikämpfe, die Piloten fuhren im Sicherheitsabstand hintereinander, die Teams belauerten sich gegenseitig. Die Rennstrategen und Reifenspezialisten beherrschten das Geschehen. Wer versucht wann einen Undercut? Wer wechselt wann auf welche Reifen? Das übliche Strategie-Schachspiel ohne echte Fights auf der Strecke. Max Verstappen dominierte von Beginn an, dahinter folgten mit rund 2 Sekunden Abstand Lewis Hamilton und mit weiteren 10 Sekunden Rückstand Sebastian Vettel. Charles Leclerc (von P14) und Carlos Sainz (von P 20) gestartet, kämpften sich durchs Feld.
Dann kommt die 53. Runde und aus Valtteri Bottas Mercedes qualmt es. Auf der Gegengeraden stellt der Finne seinen Silberpfeil ab, eine Runde später kommt das Safetycar auf die Strecke. Damit werden die Karten komplett neu gemischt. Max Verstappen und Red Bull reagieren blitzschnell und wechseln beim Leader in 1,9 Sekunden die Reifen. Für die letzten Runden soll Verstappen mit frischen Softs perfekt gegen Hamilton gewappnet sein. Hamilton führt, Verstappen ist nach seinem Stopp nur auf P2 zurückgefallen.
Am Ende von Runde 59 ist die Safetycarphase beendet. Hamilton verlangsamt das Feld extrem, bevor er in der letzten Bergaufkurve beschleunigt. Trotzdem schafft es Verstappen, Hamilton beim Anbremsen der Kurve 1 zu überholen. Nach einer Runde führt er schon wieder mit 2 Sekunden Vorsprung. Albon fährt auf Platz drei und Vettel versucht den zweiten Red Bull zu überholen- vergeblich.
Die Ferraris schiessen sich gegenseitig ab
In der 66. Runde presst sich Leclerc in der Bremszone vor der ersten Kurve an Vettel vorbei. Auf der folgenden Geraden fahren die beiden Ferrari nebeneinander. Vettel ist dank offenem DRS schneller und überholt Leclerc auf der rechten Seite. Dabei berührt sein linkes Hinterrad das rechte Vorderrad seines Ferrari-Teamkollegen. Die Folgen sind dramatisch: bei Leclerc bricht sofort die rechte Vorderradaufhängung, bei Vettel explodiert der linke Hinterreifen und beide Ferrari fallen aus. „Musste das sein?“ flucht Vettel im Cockpit auf deutsch.
Erneut fährt das Safetycar auf die Piste. Dieses Mal kopiert Hamilton den Verstappen-Trick und holt sich frische Softreifen. Ist es dafür nicht zu spät? Er fällt hinter Albon und Pierre Gasly auf Platz vier zurück. Zunächst sieht es so aus, als würde das Rennen hinter dem Safetycar zu Ende gehen. Sainz (der Mann des Rennens!) ist fünfter vor Raikkoenen, Giovinazzi, Ricciardo, Norris und Perez.
Hamilton bekommt 5 Sekunden Strafe - "Das war komplett mein Fehler."
An Ende der 69. Runde wird das Rennen doch noch einmal freigegeben und jetzt gehen die Piloten in den Infight: Beim Anbremsen des Senna-S schnappt sich Hamilton Gasly und macht sich auf die Verfolgung des zweitplatzierten Albon. Den erreicht er in dem Kurvengeschlängel vor der Bergaufpassage. Allerdings verschätzt er sich beim
Anbremsen und berührt Albon, der sich dreht. Beim Vorbeifahren beschädigt Hamilton seinen Frontflügel, trotzdem fightet der sechsfache Weltmeister weiter und versucht, Gasly vor dem Ziel zu überholen. Aber der Franzose hält dagegen und sichert sich in einem Herzschlagfinale Platz zwei!
Hamilton entschuldigt sich sofort für die Kollision mit Albon: „Das war komplett mein Fehler. Ich habe eine Lücke gesehen, die sich geschlossen hat...“ Die Konsequenz sind fünf Sekunden Strafe für Hamilton und damit nachträglich Platz drei für Carlos Sainz, der von Platz 20 gestartet war! Ebenfalls Jubel bei Alfa Romeo: Kimi auf P4, Giovinazzi auf P5 – das beste Saisonergebnis für das Alfa-Team!
Wird sich Ferrari in 2020 ändern? Oder geht die Horror-Saison weiter?
Dabei ist der Crash zwischen Vettel und Leclerc alles andere als abgehakt. Er ist vielmehr der bisherige Höhepunkt der schon die ganze Saison über schwelenden Fehde zwischen dem vierfachen Weltmeister und seinem jungen Teamkollegen, der den Altmeister seit Beginn der Saison unter Druck setzt. Es war klar, dass die beiden irgendwann so spektakulär aneinandergeraten mussten. „ Da, wo er es versucht hat, war wenig Platz. Aber ich habe ihm genug Raum gelassen.“, sagte Leclerc nach dem Rennen. Und Vettel? „Natürlich kann so etwas passieren, aber es sollte nicht passieren." meinte der Heppenheimer. Ferrari-Teamchef Mattia Binotto versuchte ein unparteiisches Fazit: „Beide Fahrer sind zu einem gewissen Prozentsatz verantwortlich.“
Hinter den Kulissen allerdings ist die Stimmung bei Ferrari auf dem Tiefpunkt angekommen. Denn jeder muss sich mittlerweile die Frage stellen, wie man mit diesem explosiven Fahrerduo den WM-Titel 2020 in Angriff nehmen soll?
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Lukas Gorys
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