Ferrari jubelt Doppelsieg in Singapur
© Lukas Gorys | Zoom

Formel 1 Insider Gorys: Beim Strategie-Spiel von Singapore setzt Sebastian Vettel die Konkurrenz Schachmatt!

Sebastian Vettel hat im Verlauf seiner Karriere die Hitzeschlacht von Singapore schon vier Mal gewonnen. Trotzdem war sein heutiger fünfter Sieg am Äquator etwas ganz besonderes: Der Deutsche hat damit die größte Krise und die längste sieglose Serie seiner Karriere beendet. Eigentlich war ja Ferraris neuer Traumprinz Charles Leclerc in der stockdunklen Nacht von Singapore auf Sieg programmiert. Aber bei diesem langen Rennen kann zum einen alles passieren, zum anderen ist es auch mit unterschiedlichen Strategien möglich auf den dunklen Straßen von Singapore zu gewinnen. 

Großer Preis von Singapur 2019

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Lewis Hamilton im Ferrari-Sandwich

Start zum Großen Preis von Singapur 2019 © Lukas Gorys
Start zum Großen Preis von Singapur 2019 © Lukas Gorys

Ferrari nutzte –wie von Mercedes-Chef Toto Wolff gestern vorhergesagt-  die Tatsache aus, dass man einen Wagen in Führung hatte, den anderen auf Platz drei. Lewis Hamilton war damit quasi im Ferrari-Sandwich gefangen und die Scuderia konnte die Taktik ihrer beiden Fahrer splitten. Erster Teil der Ferrari-Taktik: Charles Leclerc gab an der Spitze nicht unbedingt alles, hielt nur Hamilton und dahinter natürlich auch Vettel in Schach. Damit wurden die Silberpfeile ihrer besten Strategie-Optionen beraubt. Dann folgte Teil zwei des Ferrari-Taktik-Schachspiels: Mit Vettel versuchte man einen klassischen Undercut und holte den Deutschen in Runde 19 überraschend zum Reifenwechsel. Erst in der vorletzten Kurve wurde Vettel befohlen, reinzukommen. „Ich war selbst überrascht und habe nach dem Wechsel Vollgas gegeben, um die Outlap auf den frischen Reifen möglichst schnell zu schaffen. 

Vettel nutzte damit instinktiv die ihm quasi geschenkte Siegchance, an die keiner gedacht hatte.

Mercedes Sportchef Wolff gibt zu, dass der frühe Wechsel Mercedes überraschte: „Der Undercut kam aus dem Nichts, das war echt mutig.“ Als Leclerc eine Runde später als Vettel an die Box kam, fiel er hinter Vettel zurück. Und ärgerte sich am Funk: „Ich verstehe den Undercut nicht. Das müsst ihr mir nach dem Rennen erklären.“ 

Vettel gewinnt zum ersten Mal in dieser F1 Saison © Lukas Gorys
Vettel gewinnt zum ersten mal in dieser F1 Saison © Lukas Gorys

Jetzt hatte Mercedes nur noch eine Option: deutlich länger als Ferrari draußen bleiben auf eine Safetycar-Phase hoffen! Als Hamilton in Runde 26 an den Boxen musste, weil seine Reifen am Ende waren, fiel er hinter die Ferrari und sogar noch hinter Verstappen zurück. Die Weltmeister hatten sich verzockt! Zum zweiten Mal nach Hockenheim stand damit kein Silberpfeil auf dem Podium! 

Leclerc muss brav bleiben

In der 35. Runde kam das Safetycar erstmals auf die Piste, weil George Russell nach einer Kollision mit Russell in die Mauer eingeschlagen war. Erst 6 Runden später wurde das Rennen wieder freigegeben und Ferrari bekam plötzlich Bedenken, dass der angesäuerte Leclerc beim Restart Vettel angreifen und die beiden kollidieren könnten. Also bekam der Monegasse per Funk den Befehl: „Wir möchten, dass Du den Wagen sicher ins Ziel bringst.“  Heißt übersetzt: bleib hinter Vettel und gefährde nicht unseren Doppelsieg. „Okay, ich habe verstanden“, antwortete Leclerc. „Ich werde ein braver Junge bleiben, aber ich sage Euch, das ist nicht fair!“

Damit war der Weg für Vettel frei. Erstaunlich gelassen feierte er seinen ersten Sieg seit Belgien 2018. Emotionen zeigte dagegen Charles Leclerc, der mit seinem zweiten Platz alles andere als einverstanden war. Er gratulierte zwar seinem Teamkollegen Vettel, setzte sich während der Siegerinterviews dann aber demonstrativ in einer Ecke auf den Boden und schmollte. „Normalerweise macht man keinen Undercut mit einem Auto, wenn das andere führt. Aber offenbar war das die einzige Chance für einen Doppelsieg.“ Nach dem Rennen gab Ferrari-Teamchef Mattia Binotto zu, dass Ferrari zeitweise daran gedacht habe, die Plätze von Vettel und Leclerc zu tauschen. Aber das wäre dann wohl für Vettel nicht zu ertragen gewesen.

Mercedes ohne Siegchance in Singapur

Kein Mercedes Pilot auf dem Podium in Singapur: Vettel vor Leclerc und Verstappen © Lukas Gorys
Kein Mercedes Pilot auf dem Podium in Singapur: Vettel vor Leclerc und Verstappen © Lukas Gorys

Die Mercedes gehen als Verlierer auf die Reise von Singapur nach Russland, wo kommendes Wochenende der nächste GP stattfindet. Das kuriose in dieser Nacht ist aber der WM Stand: hier hat Hamilton seine Führung auf seinen ersten Verfolger Valtteri Bottas sogar noch ausbauen können! Leclerc und Verstappen haben je 96 Punkte Rückstand, Vettel 102. Insofern kann Mercedes diese Niederlage verkraften. Allerdings sollten langsam die Alarmglocken bei den Silberpfeilen läuten, denn in Singapore hatten die Weltmeister keine Siegeschance. Zumindest der leider im Mai verstorbene Niki Lauda hätte spätestens jetzt Alarm geschlagen...

Lukas Gorys

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