Monza, das ist der bedeutendste Tempel der Formel-1, das ist der Vatikan des Motorsports!
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Formel 1 GP Italien: Für Mercedes und Ferrari ist das F1 Rennen in Monza letzte Hoffnung

(Speed-Magazin.de / F1 2013 / Lukas Gorys)  Der Grand Prix Italien hat wie der GP Monaco seine aussergewöhnliche Geschichte ins königliche Buch der Formel 1 geschrieben. Eröffnet wurde die permanente Rennstrecke am 3.September 1922, und seitdem gab es zahlreiche Tote bei den Formel-1 Rennen u.a. Motorsport-Veranstaltungen. Aber es gab auch hochemotionelle Momente, bei denen Michael Schumacher einen Weinkrampf bekam, und auch Mika Häkkinen nichts gegen hemmungsloses Heulen tun konnte. In diesem Jahr ist es für Lewis Hamilton, Nico Rosberg und Mercedes genauso wie für Fernando Alonso und Ferrari wohl auch die letzte Hoffnung für einen Sieg auf die WM 2013. Lesen Sie im Speed-Magazin exclusiv die intimen Einblicke und professionellen Einschätzungen unseres F1-Insiders Lukas Gorys!

Die Einfahrt in den königlichen Park in Monza führt vorbei an verfallenen Mauern und durch Unterführungen aus dem 19. Jahrhundert und ist umrahmt von alten, dunkle Schatten spendenden Bäumen. Durch das Dickicht brechen sich die spätsommerlichen Sonnenstrahlen. Die Dunkelheit des Waldes wechselt sich mit gleissendem Gegenlicht ab, das einen kurzzeitig blind macht. Darüber liegt eine gespenstische Atmosphäre aus Rauchschwaden von den zahlreichen Feuerstellen der Ferrari und Formel-1 Fans und der Geschichte der Formel1. Wer auf die Zielgerade blickt sieht sofort die alte Steilwandkurve, die den Betrachter wie eine Zeitmaschine in die Urzeit des Motor-Rennsports zurückkatapultiert. Monza, das ist der bedeutendste Tempel der Formel-1, das ist der Vatikan des Motorsports.

Auf und neben der Piste ist in Monza die Hölle los

Es ist das schnellste Formel-1-Rennen des Jahres mit der höchsten Durchschnittsgeschwindigkeit, bei dem die F1 Boliden mit maximalen Drehzahlen an den Formel1-Fans vorbei jaulen. Diese Highspeed-Orgie löst die Emotionen aus, die man bei keinem anderen Grand Prix so intensiv erlebt. Im Mittelpunkt des GP Italien Interesses steht natürlich - wie sollte es auch anders sein - Ferrari. Wer für den italienischen Rennstall fährt ist für die Italiener und Ferrari-Fans automatisch "Gott-ähnlich" - alle anderen sind Feinde. Gellende Pfeifkonzerte und Buhrufe bei der Passage eines Mercedes F1 Boliden, Red Bull oder McLaren, frenetische Begeisterung, wenn Alonso oder Massa im Ferrari Boliden vorbeidonnern.

Auf und neben der Piste ist in Monza die Hölle los!
Auf und neben der Piste ist in Monza die Hölle los!
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Der Formel 1 GP in Monza ist alljährlich das letzte Rennen in Europa, danach begibt sich die Formula Uno wieder nach Übersee. Und in Monza ist in der Regel auch der Herbstbeginn –„das Rennen der fallenden Blätter und der sterbenden Sommertage“ wie es Heinz Prüller einmal beschrieben hat. Wenn am Freitag morgen die Rennwagen von ihrer Installations-Runde an die Boxen zurückkehren dann finden die Mechaniker in den Kühlschlitzen zahllose Blätter von den neben der Piste stehenden Bäumen, die im Fahrtwind ihre Blätter verlieren.

Deshalb liegt über dem Formel-1-Rennen in Italien in der Regel eine gewisse Wehmut – Abschied von Europa, gepaart mit Erinnerungen an die lange Vergangenheit von Monza. Rund um das erste September-Wochenende, an dem traditionell das F1 Monza-Rennen veranstaltet wird, häufen sich auch die Todestage des königlichen Motorsports: am 5. September 1970 starb Jochen Rindt als an seinem Lotus die Bremswelle brach, am 10. September 1978 verunglückte Ronnie Peterson in einer von James Hunt ausgelösten Massenkollision (er starb am folgenden Morgen) und am 10. September 1961 kollidierte Graf Berghe von Trips bei der Anfahrt zur Parabolica mit Jim Clark. Mit dem deutschen Grafen starben zudem 15 Zuschauer.

Das F1-Rennen in Monza ist in jeder Hinsicht extrem

Die Rennwagen erhalten spezielle Aerodynamik-Pakete, um mit so wenig Abtrieb wie möglich das Maximum aus den vier langen Geraden herauszuholen. Die Motoren laufen auf einer Runde für 4,461 km (77%) der Distanz von 5,793 km unter Volllast und die Rennwagen erreichen auf einer Runde an vier Stellen Geschwindigkeiten von mehr als 330 km/h. Noch ein Extrem: Beim Anbremsen der ersten Kurve werden die F1-Wagen innerhalb von nur 185 Meter um 260 km/h herunter gebremst!

Als Monza-Favorit sollte in dieser Formel-1-Saison 2013 Mercedes mit Lewis Hamilton und Nico Rosberg gelten – die langen Geraden verlangen Power, die bei Mercedes reichlich vorhanden ist. Die ultraschnellen Kurven, in denen Sebastian Vettel und Mark Webber im Red Bull so überlegen sind, fehlen in Monza. Hier heisst es vor allem über die Curbs zu reiten und auf den Geraden aufzudrehen. Lewis Hamilton wird deshalb im Formel-1-GP Italien wieder schnell unterwegs sein: Der Brite hat den WM-Titel 2013 noch nicht aufgegeben!

Letzte Chance für Ferrari und Mercedes

Mercedes-Aufsichtsratsmitglied Niki Lauda hat zwar nach dem Formel-1 Lauf in Spa Red Bull Weltmeister Sebastian Vettel schon vorzeitig zur Titelverteidigung gratuliert, aber sowohl Hamilton als auch Alonso wissen, dass 50 Punkte Rückstand im Grunde nur zweimal siegen entspricht - und deshalb immer noch aufgeholt werden kann. Vettel selbst ist wie immer vorsichtig in seinen Äusserungen, sagt aber auch, „dass er mit seinen Konkurrenten nicht tauschen möchte.“ Eines ist aber jedem F1-Experten klar: sollte sich im Formel 1 Grand Prix Italien und 14 Tage später im F1 Rennen in Singapur die Siegesserie von Vettel fortsetzen, dann werden auch Ferrari und Mercedes die Entwicklungen für diese Formel-1-Saison komplett einfrieren und sich auf die Konstruktion der neuen Boliden für 2014 konzentrieren. Insofern kann man Monza so etwas als die letzte Chance für Mercedes Pilot Hamilton und Ferrari Ass Alonso ansehen um doch noch an den bislang dreifachen F1-Weltmeister Vettel heranzukommen.

Letzte Chance für Ferrari und Mercedes
Letzte Chance für Ferrari und Mercedes
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Auf dem Transfermarkt ist es nach der Red Bull Bestätigung von Toro Rosso Pilot Daniel Ricciardo als neuen Teamkollegen von Vettel für 2014 ruhiger geworden. Die Frage ob Kimi Raikkönen zum Ferrari Stall wechselt oder doch lieber bei Lotus bleibt, ist auf der einen Seite eine Frage des Geldes (nämlich ob Lotus genügend davon hat), auf der anderen Seite aber auch eine Frage der Macht (wieviel hat Alonso davon noch bei Ferrari?). Alonso ist klar gegen Raikkönen als Ferrari Teamkollege. Der Spanier war immer ein Freund von Felipe Massa als Nummer zwei bei Ferrari, weil der Brasilianer ihm nicht gefährlich wird. Raikkönen wäre da eine ganz andere Hausnummer!

Kaum Optionen für Ferrari in der F1 Saison 2014

Die Gerüchte um Nico Hülkenberg sind mit Vorsicht zu geniessen. Sollte sich Luca di Montezemolo seinem besten Pferd im Stall beugen und auf die Raikkönen-Verpflichtung verzichten, muss man sich nicht wundern wenn Massa erneut um ein Jahr verlängert. Und wenn die Option Ferrari vom Tisch ist riskiert Kimi Raikkönen, dass ihm Lotus das Gehalt kürzt. Lotus Teamchef Bouillier hat schon angedeutet, dass es für ihn eine finanzielle Schmerzgrenze gibt. Ob Kimi dann zustimmt oder die F1 wieder verlässt, ist offen. Der grosse Poker ist dem Finnen jedoch schon jetzt gehörig in die Hose gegangen.

Wenn nicht jetzt, wann dann? Das wird sich Fernando Alonso in Monza denken und alles daran setzen, den Heimat-GP von Ferrari zu gewinnen. Für Gerhard Berger gibt es nichts Schöneres: „Wenn Du auf dem Podium in Monza stehst und dir unten 100.000 Fans als Ferrari-Pilot zujubeln, dann ist das der schönste Moment, den Du als Rennfahrer erleben kannst.“ Berger gewann 1988 den GP Italien auf Ferrari.

Monza löst bei jedem Emotionen aus

Mika Häkkinen heulte einmal nach einem Ausfall in Monza hemmungslos. Michael Schumacher wurde von einem Weinkrampf erschüttert, als ihm nach einem Monza-Sieg erzählt wurde, dass er jetzt genauso viele Siege hat wie die Formel-1-Legende Ayrton Senna. Und auch die europäischen Ferrari Fans werden vielleicht eine Träne zerdrücken. Denn die Formel1 wird erst im Mai 2014 wieder in Europa fahren. Dann allerdings mit einem völlig geänderten Sound von 6-Zylinder-Turbos. Insofern heisst es in Monza auch Abschied zu nehmen von den hochdrehenden V8-Saugmotoren. Wer die oder ihre V10- und V12-Vorgänger auf der langen Startziel-Geraden mit bis zu 20.000 U/min von Monza einmal gehört hat, wird diesen Sound nicht vergessen...

Lukas Gorys

Italien - Monza: News & Ergebnisse