Das Formel-1-Reife(n)zeugnis des SID: Spielberg II
Die Podiumszeremonie ist Coronabedingt relativ einsam für die Piloten. Auch der Abstand zwischen den P1, P2 und P3 ist natürlich mindestens 1,5m. Immerhin gibt es laute Musik auf dem Weg zum Podium, die die ansonsten jubelnde Fan-Menge wohl ersetzen soll. Alle Beteiligten, inclusive der Fahrer haben ihre Masken auf, die Nationalhymnen ertönen - die Britische für den Sieger Hamilton, gefolgt von der Deutschen für Mercedes.
CHARLES LECLERC: Seit Sonntag ist auch der Hoffnungsträger Teil dieser Ferrari-Krise. Der junge Monegasse, stets höflich, smart und schnell, schien bis zuletzt ein wenig über den Dingen zu schweben. Mit scheinbarer Leichtigkeit überflügelte er im vergangenen Jahr den Platzhirsch Vettel, dann bekam er einen langfristigen Vertrag, während Vettel abgesägt wurde. Beim Auftakt am vergangenen Wochenende holte er im lahmenden SF1000 einen eigentlich unmöglichen zweiten Platz - mit Glück und Geschick. Beides fehlte Leclerc nun an diesem Sonntag in Kurve drei. Übermotiviert und fehlgeleitet räumte er Vettel ab, eine Aktion, die zuletzt eher dem viel kritisierten Deutschen ähnlich gesehen hätte.
SEBASTIAN VETTEL: Der darf nun recht erleichtert feststellen, dass auch ein Charles Leclerc nicht über Wasser laufen kann. Im Qualifying war Vettel (etwas) besser, im Rennen machte ausnahmsweise mal der Teamkollege mehr falsch als richtig. Und wenn auch das Auto in diesem Jahr einen Angriff auf Mercedes nicht erlaubt, dann schöpfte Vettel doch zumindest Hoffnung auf einen Sieg im Teamduell.
FERRARI: Denn für das große Ganze bei Ferrari brachte das zweite Rennen in Spielberg viel Anlass zur Sorge. Nach dem schwachen Auftritt vor einer Woche wurde viel gearbeitet, ein Update-Paket, das eigentlich erst kommenden Wochenende in Ungarn ans Auto sollte, wurde vorgezogen. Dann kam das Regen-Qualifying und die Erkenntnis, dass es unter diesen Bedingungen nicht mal um die Plätze fünf bis sieben geht - sondern eher um den Sprung in die Top 10. Ein ausgewogenes, gelungenes Auto sollte auf nasser Strecke Vorteile bringen, beim Ferrari war das Gegenteil der Fall. Da auch der Motor nach den Schummel-Vorwürfen des Vorjahres nicht mehr beeindruckt, spricht wenig für ein gutes Jahr der Scuderia.
LEWIS HAMILTON: Normalerweise hätte die Formel 1 an diesem Wochenende ihrem Weltmeister gehuldigt. Lewis Hamilton, noch beim Auftakt vom Teamkollegen Valtteri Bottas geschlagen, meldete sich mit aller Macht zurück. Im Kampf um die Pole Position hängte er den zweitplatzierten Max Verstappen auf nasser Strecke um 1,2 Sekunden ab, und das auf einem der kürzesten Kurse im Kalender. Es war eine Runde, die zu den größten Qualifying-Leistungen der Formel-1-Geschichte gezählt werden darf. Im Rennen ließ er dann nie einen Zweifel an seinem Start-Ziel-Sieg, das Wochenende hätte im Zeichen Hamiltons gestanden - doch dann krachten in Runde eins die beiden roten Autos ineinander.
MCLAREN: An McLaren kommt momentan nicht vorbei, wer über die Gewinner eines Formel-1-Wochenendes sprechen will. Der deutsche Teamchef Andreas Seidl durfte sich schon zum zweiten Mal über die schnellste Rennrunde freuen, am vergangenen Sonntag gelang sie Youngster Lando Norris, dieses Mal war es Carlos Sainz. Und nach dem dritten Rang für Norris in der Vorwoche fuhren nun erneut beide Piloten satt in die Punkte. Die Plätze fünf und neun sorgten dafür, dass das noch vor nicht langer Zeit herumdümpelnde Traditionsteam momentan zweite Kraft hinter Mercedes ist.
SPRUCH DES WOCHENENDES: "Ich würde niemanden in mein Cockpit lassen, außer vielleicht Zak Brown. Das ist der Einzige, der einen besseren Job machen würde." (McLaren-Pilot Lando Norris klagte vor dem Rennwochenende über Rückenschmerzen und gab Einblick in alternative Pläne: Zak Brown, früher Rennfahrer, heute 48 Jahre alter McLaren-CEO, der vermutlich nicht mehr in Norris Sitz passt.)
"Wie ich höre, ist Zak unser Reservefahrer. Wir werden also alles dafür tun, dass Lando fit wird." (Teamchef Andreas Seidl zum gleichen Thema.)