Ein Wochenende zum Vergessen für Sebastian Vettel
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Das Formel-1-Reife(n)zeugnis des SID: Spielberg I

Wie es sich für die Königsklasse des Motorsports gehört, war das Wochenende bis zum Rennstart reich an brisanten Themen und taktischen Scharmützeln, bis hin zur Strafversetzung von Lewis Hamilton von Startplatz 2 auf 5 in letzter Sekunde in Kraft getreten wegen eines Vergehens des Mercedes-Piloten im Qualifying. Die ungewöhnlich lange Rennpause forderte  offensichtlich  ihren  Tribut.  Zahlreiche  technische  Probleme  und  Ausfälle,  Safety-Car-Phasen,  Verbremser,  Zeitstrafen, brenzlige Szenen in der Boxengasse und Ausritte sorgten für aufregende 71 Runden!

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SEBASTIAN VETTEL: Am Donnerstag in Spielberg hatte Sebastian Vettel Klartext geredet: Die Wahrheit über seine Trennung von Ferrari. Die Scuderia habe ihn abgesägt, ohne die Gründe zu erläutern, das war ein echter Aufreger. Wäre die Formel 1 nun ein Hollywood-Film, dann wäre danach Folgendes passiert: Sebastian Vettel steigt in sein rotes Auto und liefert ab. Zeigt seinem Team, dem Stallrivalen Charles Leclerc und der ganzen Welt, was er noch zu leisten imstande ist. Jetzt erst recht. Doch leider ist die Formel 1 harte Realität, und Vettel blieb ein starkes Statement auf der Strecke schuldig. Stattdessen der nächste Fehler, Leclerc holte derweil einen schier unmöglichen zweiten Rang - und Vettel stärkte mit seinem Auftritt am Wochenende eher die These, dass Ferrari sich richtig entschieden hat.

FERRARI: Das gilt allerdings nur für die Personalplanung. Wie viel die Scuderia in den vergangenen Jahren ansonsten falsch gemacht hat, wird gerade ziemlich deutlich: Die beeindruckende Geschwindigkeit der vergangenen Saison war wohl Ergebnis eines illegalen Antriebs, dieser Vorteil ist ihnen nun genommen - und in Spielberg war Ferrari plötzlich ein Mittelfeldteam. Offenbar haben die Roten hoch gepokert und alles verloren: Wenn sie nach Einschreiten der Regelhüter nun ohne konkurrenzfähigen Motor dastehen, dann wird selbst diese kurze Corona-Saison quälend lange dauern. Die stolzen Tifosi müssten sich wohl an Niederlagen gegen McLaren und Racing Point gewöhnen.
 
MERCEDES: Die Silberpfeile sind in diesem Jahr schwarz, ansonsten ist offenbar alles wie gewohnt. Auch in Spielberg war Mercedes eine Klasse für sich, nur die Safety-Car-Phasen brachten noch einmal Spannung und kosteten Lewis Hamilton am Ende das Podest. Über das gesamte Wochenende sah das Weltmeisterteam aber schon wieder ziemlich weltmeisterlich aus. Und Valtteri Bottas tat, was er schon in der vergangenen Saison getan hatte: Er gewann den Auftakt und nährte die leise Hoffnung, dass Hamilton vielleicht wenigstens im eigenen Team einen echten Gegner hat. 2019 war das nicht der Fall, auf ein Neues in 2020.
 
MCLAREN: Im Generationen-Duell eroberte McLaren Rang drei: Lando Norris, 20, musste näher an Lewis Hamilton, 35, heran, nur ein paar Zehntel mussten es sein - und der britische Youngster brannte im letzten Umlauf die schnellste Rennrunde in den Asphalt von Spielberg, das genügte: Hamiltons Fünf-Sekunden-Strafe mit eingerechnet, war für Norris der erste Podestplatz in der Formel 1 perfekt. "Im letzten Jahr wäre diese Runde für uns nicht möglich gewesen", sagte er und brachte es auf den Punkt: Das Mittelfeld der Formel 1 probt gerade den Aufstand, und McLaren steht dafür exemplarisch. Der Rennstall um den deutschen Teamchef Andreas Seidl hat wie auch Racing Point einen großen Sprung gemacht - und könnte endlich für mehr Farbe auf den Siegertreppchen sorgen.
 
CORONA-KONZEPT: Keine Fans, Social Distancing bei der Sieger-Hymne, Maskenpflicht: Die Formel 1 hatte sich zum Saisonstart ein strenges Hygiene-Konzept auferlegt, und dieses erwies sich bislang als tragfähig. "Das Risiko, dass hier jemand erkrankt, wurde minimiert", sagte Sieger Valtteri Bottas, "und es ist besser, auf diese Weise zu fahren als gar nicht zu fahren." Bei mehr als 4000 Coronatests in der Formel-1-Blase gab es bislang nicht einen positiven Fall. Diese guten Nachrichten geben Planungssicherheit: Die britische Regierung gab am Sonntag Grünes Licht für die beiden Rennen in Silverstone im August.
 
SPRUCH DES WOCHENENDES: "Unter normalen Umständen sind die Plätze fünf bis sieben gerade das, was für uns drin ist. Wir haben jede Menge Arbeit." (Sebastian Vettel über die neue Normalität bei Ferrari.)a

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