Max Verstappen zeigte erneut eine reife Leistung
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Das Formel-1-Reife(n)zeugnis des SID: Imola

MAX VERSTAPPEN: Am Titelverteidiger liegt es nicht, dass ein anderer an der Spitze der Fahrer-Weltmeisterschaft steht.

Köln (SID) - MAX VERSTAPPEN: Am Titelverteidiger liegt es nicht, dass ein anderer an der Spitze der Fahrer-Weltmeisterschaft steht. Verstappen hat bislang an jedem Rennwochenende erreicht, was sein Red Bull ihm gestattet hat. Die Siege in Dschidda und nun in Imola zeugten von großer fahrerischer Klasse. In Sakhir und Melbourne ging sein Rennwagen aufgrund von Defekten in die Knie - bis dahin hatte der 24-Jährige das Podest fest im Visier. Anders ausgedrückt: Verstappen hat absolut das Rüstzeug, auch 2022 Weltmeister zu werden. Er ist ungebrochen schnell, entschlossen, macht auch unter Druck kaum Fehler. In Imola, wo alles rot ist und ekstatisch für Ferrari jubelt, erreichte er das Maximum: Pole, Sprint-Sieg, Grand-Prix-Sieg, schnellste Rennrunde, 34 von 34 möglichen WM-Punkten. Nur das Auto muss halten.

CHARLES LECLERC: Der Monegasse hat eine wichtige Lektion gelernt: Wer Weltmeister werden will, muss zwischen Risiko und Ertrag genau abwägen. Gegen Verstappen hatte der Ferrari-Hoffnungsträger in Imola keine Chance, doch er wollte zumindest Platz zwei statt drei - was ihm drei Punkte mehr eingebracht hätte, die schnellste Rennrunde wäre einen weiteren Zähler wert gewesen. So aber riskierte Leclerc zu viel, wie er selbst einräumte. Nach seinem Dreher beim Angriff auf Verstappen-Teamkollege Sergio Perez hatte er Glück, sich "nur" den Frontflügel ruiniert zu haben. Leclerc fiel auf Rang acht zurück, verbesserte sich bis zur Zielflagge zumindest auf Platz sechs und bekam acht WM-Punkte. Unter dem Strich hat er damit sieben Zähler verloren, die noch entscheidend werden können - auch wenn sein Polster auf Verstappen mit 27 Zählern immer noch beruhigend erscheint.

CARLOS SAINZ: Der zweite Ferrari-Pilot steckt in der Krise. Der Mann, der Sebastian Vettel im vergangenen Jahr abgelöst hatte und Leclerc auf Augenhöhe begegnet war, erhielt am Rande des Imola-Rennens den Lohn für seine bisherigen Leistungen: Vertragsverlängerung bis 2024. Doch neuerdings setzt der Druck in einem Siegerauto zu sitzen, dem Spanier zu. Leclerc ist fast immer schneller, wenn es darauf ankommt. Kann Sainz daran nichts ändern, wird er sehr bald als Nummer-zwei-Fahrer gebrandmarkt sein. Hinzu kommen Fehler und auch Pech. In Imola crashte er im Qualifying. Das Rennen musste er deswegen aus dem Mittelfeld angehen, wo Kollisionen sehr viel wahrscheinlicher sind als ganz vorne. Prompt erwischte es Sainz, unverschuldet schied er in der ersten Kurve aus.

LEWIS HAMILTON: Noch schlechter läuft es für den erfolgreichsten Fahrer der Formel-1-Geschichte. Hamilton geht durch seine wohl schwierigste Phase in der Königsklasse. Der diesjährige Mercedes ist bestenfalls Mittelmaß, im Trockenen fehlt mehr als eine Sekunde pro Runde auf Ferrari und Red Bull. Vielsagend: Teamchef Toto Wolff entschuldigte sich in Imola via Funk bei seinem Star für ein "unfahrbares Auto". Hamilton gibt sich kämpferisch, doch es läuft überhaupt nicht für ihn. Sein talentierter neuer Teamkollege George Russell, für den nach drei Jahren bei Williams auch ein zickiger Mercedes einen Aufstieg darstellt, hängt sich voll rein und erarbeitet sich das nötige Rennglück. In Imola brachte ihn ein guter Start weit nach vorn, am Ende stand Platz vier. Hamilton wurde nur 13. - weil es nach einem normalen Start mit diesem Mercedes im DRS-Zug des Mittelfelds kein Vorbeikommen gab. Klar ist: Solange es nicht läuft, wird immer wieder die Frage gestellt werden, ob der siebenmalige Weltmeister seinen Vertrag bis Ende 2023 wirklich erfüllen will.

SEBASTIAN VETTEL: Fragen zu seiner Zukunft kennt Sebastian Vettel schon zu Genüge. Sein diesjähriger Aston Martin rangiert bei der Performance sogar noch deutlich hinter Hamiltons Mercedes. Dennoch setzte der viermalige Weltmeister an diesem Wochenende ein Glanzlicht: Mit Unterstützung des Regens brachte er mit einer starken fahrerischen Leistung den AMR22 auf Rang acht ins Ziel. Dies sei wie ein Sieg für das Team, erklärte Vettel nach den ersten Punkten der Saison. Tatsächlich überdeckte diese Platzierung nur die Probleme. Im Trockenen - und bei diesen Bedingungen wird in der Formel 1 meistens gefahren - ist Aston Martin weit von regelmäßigen Top-Ten-Resultaten entfernt. Vettel aber will um Siege oder zumindest Podien kämpfen. Oder zumindest die Aussicht darauf erkennen. Ansonsten wird er am Jahresende mit dann 35 Jahren und finanziell voll abgesichert wohl aufhören.

MICK SCHUMACHER: Allmählich wird es Zeit. 25 Formel-1-Rennen hat Mick Schumacher mittlerweile bestritten. Zumindest in den letzten drei hatte er ein Auto zur Verfügung, das schnell genug war für Punkte. Auf ein Top-Ten-Resultat wartet der 23-Jährige aber weiterhin. In Imola bekam er bei nasser Strecke in der ersten Runde Übersteuern und drehte sich. Die gute Ausgangsposition - Rang zehn war Schumachers bislang bester Startplatz - war dahin. Währenddessen fuhr sein Haas-Teamkollege Kevin Magnussen, der Ende 2020 vom Team geschasst und erst kurz vor Saisonstart zurückgeholt worden war, zum dritten Mal in die Punkte.

FORMEL-1-PLÄNE: Mehr. Immer mehr. Sechs statt drei Sprintrennen will die Formel 1 ab der kommenden Saison austragen, so lautet der Plan. Neben mindestens 23 Grands Prix, wohlgemerkt. Dies sei gut für die Attraktivität und auch die Einnahmenseite, sagte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto. Allerdings ächzt der PS-Tross bereits unter der aktuellen Belastung. Formal beginnt das Rennwochenende ab dieser Saison erst am Freitag, weil der Donnerstag als reiner Medientag aufgelöst wurde. Sie seien aber unter dem Strich sogar noch länger an der Strecke, betonten viele Fahrer in Imola. Im Fußball ist bereits länger von Übersättigung die Rede, auch die Formel 1 sollte das Rad nicht überdrehen - zumal sich die Action in den Sprints ohnehin in Grenzen hält. Schließlich will sich kein Fahrer den Rennsonntag mit einem zu forschen Samstag ruinieren. 

SPRUCH DES WOCHENENDES: "Ich habe einen Fehler gemacht, den ich nicht hätte machen dürfen. Dafür gibt es keine Entschuldigung." (Charles Leclerc nach Platz sechs in Imola)

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