Aston Martin DBS Superleggera: Auf den Punch kommt es an
(Speed-Magazin.de) Mit dem DBS Superleggera stößt die britische Traditionsmarke Aston Martin in neue Regionen vor. Und das gleich mehrfach: Was Fertigung und die Verwendung neuer Werkstoffe angeht, was das anvisierte Klientel und was das Preisniveau angeht. Um die 300 000 Euro sollte man schon locker machen können, um einen Superleggera zu fahren.Ist es möglich, einen Aston-Martin-Artikel zu schreiben, ohne auf James Bond zu verweisen? Ja, nehmen wir als prominenten Namen stattdessen doch einfach Pink Floyd. Psychedelisch anmutende Lichtsäulen erfüllten das Roundhouse an der Chalk Farm Road in London, als Aston Martin seine neueste Kreation der Öffentlichkeit präsentierte. Der ehemalige Lokschuppen im Stadtteil Camden war nach dem Umbau zum Kulturzentrum 1966 Schauplatz eines Eröffnungskonzerts mit der britischen Rockgruppe, die schon lange vor „The Wall“ Weltruhm genoss.
Auch wenn der Begriff „Superleggera“ für italienische Sportwagen abonniert zu sein scheint, so gehört er dennoch seit fast 60 Jahren zu Aston Martin. Das Modell DB 4 war als erstes damit garniert, eine Lichterscheinung (leggera = italienisch für Licht), die mittels überbordender Motorleistung und kompromissloser Leichtbauweise die Maßstäbe im Sportwagenbau zugunsten der britischen Edelschmiede verschob. Zehn Jahre später galt der DBS als schnellster serienmäßig gefertigter Viersitzer der Welt. Auch heute sind es die Attribute Leistung und Leichtigkeit, die den aktuellen DBS für eine solvente Kundschaft unverzichtbar machen sollen.
Pompös inszenierte Auftritte ist man von Dr. Andy Palmer, seit 2014 Chef der Luxus-Manufaktur, nicht gewohnt. Und obwohl das Roundhouse einen authentischen Rahmen dafür geboten hätte, ließ er bei wohlgesetzten Worten und bescheidener Gestik das Produkt wirken, das neben ihm in gleißendem Weiß die Blicke der Zuschauer fesselte. Pferdestärken, so ließ der gelernte Ingenieur die handverlesenen Kunden und Pressevertreter wissen, seien nicht das ausschlaggebende Kriterium zur Bemessung einer Sportwagenperformance. Mag sein, doch 725 PS (533 kW) sind nicht, wofür man sich verstecken müsste. Immerhin 122 PS mehr als im Modell Vanquish, das der DBS ablöst. Entscheidend , so Palmer, sei der „Punch“ und ließ dabei fotowirksam die geballte Faust auf die linke Handfläche klatschen. Das dafür angemessene Vokabular fand der Firmenlenker in „überwältigend“ und „atemberaubend“.
Ohne dass es bereits Fahreindrücke zu berichten gäbe, kann man getrost davon ausgehen, dass der angesprochene Boxhieb in der Realität eher als Tritt ins Kreuz wahrgenommen wird. Gewaltige 900 Newtonmeter Drehmoment entfesselt der 5,2 Liter große V12-Motor, der zwar ohne AMG-Beteiligung, aber in Deutschland zum Leben erweckt wurde. Dieser Wert – er würde einem mittleren Lkw zur Ehre gereichen – katapultiert den Wagen in 3,4 Sekunden aus dem Stand auf 100 Stundenkilometer. Bietet die Strecke keinen Anlass zu vorzeitigem Bremsen, schiebt der Zwölfender den Zweitürer bis auf 337 km/h.
Damit es mit der Leichtigkeit ebenso klappt wie mit dem „Punch“, hat sich Aston Martin für eine Karosserie aus Karbonverbundwerkstoff entschieden, die von einer geklebten Aluminiumstruktur getragen wird. Das ist teuer, aber effizient. So ein V12 kann schnell seine 280 Kilogramm oder mehr wiegen, so dass man gut daran tut, anderswo Gewicht einzusparen. Offiziell gibt der Hersteller die Leermasse des Fahrzeugs mit 1693 Kilogramm an, „trocken“, versteht sich, also ohne Kraftstoff, Kühlwasser, Öle und andere betriebsnotwendige Flüssigkeiten. Fahrbereit sollte die Waage also etwa 1800 kg anzeigen. Da der Motor hinter der Vorderachse und das Getriebe an der Hinterachse eingebaut sind, ergibt sich eine nahezu ideale Gewichtsverteilung von 51:49 Prozent.
Konstruiert ist der DBS Superleggera in der Erblinie hochdynamischer Grand-Tourer, wenngleich der unbedarfte Zuschauer auf Anhieb feststellt, dass auf den hinteren Plätzen der flachen Kabine nur Grundschüler bequem sitzen können. Der markentypische Hexagonalgrill ist mit einer Wabenstruktur verschlossen, die allerdings nicht kaschieren kann, wie groß die Atemnot des mächtigen Doppelturbo-Triebwerks ohne sie wäre. Damit die Luft am anderen Ende des Coupés nicht einen unerwünschten Effekt erzeugt, sorgen Spoilerlippe und Heckdiffusor für Abtrieb – bei Maximaltempo wird die Antriebsachse mit 180 Kilogramm zusätzlich an den Boden gepresst. Durch das zum Kofferraumdeckel hin spitz zulaufende Dach, erscheint die Spurweite hinten deutlich breiter als vorn und lässt die ausgestellten Radhäuser noch muskulöser erscheinen.
Die zur Auslieferung anstehenden Exemplare werden naturgemäß einen hohen Individualisierungsgrad aufweisen und mutmaßlich weit mehr als 300 000 Euro kosten. Deshalb ist das Interieur des Schaustücks nur bedingt aussagekräftig, was die Möblierung und die Cockpitgestaltung angeht. Dass hochwertiges Leder, bei Bedarf Holz oder Karbon, Kontrastnähte und Polsterstickereien zu sehen sein werden, ist als gesichert anzusehen. Die Funktionselemente orientieren sich an dem letzten Stand der Haustechnik, wie sie zuletzt vom neuen Vantage zum Markte getragen wurde.
Die über alle Zweifel erhabenen Fahrleistungen dienen nicht in erster Linie dazu, die Rundenzeiten möglicher Konkurrenten zu toppen, sondern es zu können, wenn es nötig sein sollte. Als entspannter Cruiser soll der Superleggera seinen vermutlich künftig nicht zu zahlreichen Besitzern genauso Freude beim lässigen Kurvenschwung auf der Corniche machen. Bei geringer Last sorgt die neue Zylinderabschaltung dafür, dass nicht mehr Benzin als unbedingt nötig durch die Leitungen fließt. Wird der Zwölfzylinder gefordert, ist mit weniger als 16 bis 18 Litern Verbrauch nicht zu rechnen.
Ein erlauchter Kreis von Dauerkunden der Marke konnte den DBS Superleggera schon vor der offiziellen Weltpremiere in Augenschein nehmen – und einen Kaufvertrag unterschreiben, wenn ihnen der Sinn danach stand. Nicht offiziell, aber aus zuverlässiger Quelle ist zu erfahren, dass dies allein in der Schweiz von einer zweistelligen Zahl von betuchten Enthusiasten getan wurde.
AMPNET / RB