24h Le Mans: Horst Bernhardt mit einem Rückblick auf die 24 Stunden von Le Mans vor 10 Jahren
Aufgrund der aktuellen Corona-Situation im Motorsport erinnert Horst Bernhardt in einer neuen Serie in lockerer Folge an legendäre Rennen, Fahrer und Rennautos. Habt viel beim lesen viel Spass und etwas Ablenkung von der doch sehr kritischen Situation. Bleiben Sie gesund! Beginnen wollen wir heute mit einem Rückblick auf die 24 Stunden von Le Mans vor 10 Jahren. Die 78.Ausgabe des wichtigsten Sportwagenrennes der Welt war in vielerlei Hinsicht bemerkenswert! Peugeot beherrschte mit dem 908 HDI FAP die LMP1 Klasse im internationalen Sportwagen-Rennsport.Seit dem Einstieg in den Langstreckensport 2007 konnte Peugeot Platzhirsch Audi gehörig unter Druck setzen und etablierte sich als ebenbürtiger Gegner. Erfolge in der Le Mans Series und bei ausgesuchten Rennen in der ALMS zeigten, das man mit dem 908 eine schlagkräftige Waffe im Kampf gegen Audi hatte. Im Vorjahr konnte man dann endlich mit einem Doppelsieg in Le Mans auftrumphen. Somit kamen die Löwen auch als haushohe Favoriten nach Le Mans. Selten wurde um die Hauptkonkurrenten Audi und Peugeot so ein Medienspektakel veranstaltet wie im Vorfeld der 24 Stunden von Le Mans 2010. Für beide Konzerne ging es darum zu beweisen welche Dieseltechnologie sich als zuverlässiger und innovativer darstellen ließ. Drei Werks 908 und ein Semi Werks 908 von Oreca wurden gegen die vom Konzept her unterlegenen Audi R15 Plus ins Rennen geschickt.
Die Peugeot verfügten überein geschlossenes Cockpit, was sich aerodynamisch als effektiver erwies als die offenen Audi R15. Berechnungen zur Folge hatte man damit einen Vorteil von ca. 1,5 Sekunden pro Runde. Im Motorenbereich konnten die Franzosen gegenüber den Konkurrenten aus Ingolstadt auch einen Vorteil erarbeiten. Der V12 des Peugeot hatte einen Vorteil bei der Motorleistung und war auch etwas Verbrauchsgünstiger als der V10 im Audi. Im Renntrimm konnte der Peugeot mit einer Tankfüllung 13 Runden absolvieren, eine mehr als der offene Audi.
Im Qualifying wurden die Peugeot dann auch ihrer Favoritenrolle gerecht und standen auf den ersten vier Startpositionen.Lokalmatador Sebastien Bourdais, der sich das Cockpit mit Pedro Lamy und Simon Pagenaut teilte blieb mit 3.19,711 Minuten unter der 3.20er Schallmauer und sicherte sich die Pole Position. Es folgten Marc Gene/Alex Wurz/Anthony Davidson und Frank Montagny/Stephane Sarrazin/Nicolas Minassian in den beiden Werks 908 und Nico Lapierre/Loic Duval/Oliver Panis im Oreca 908. Mike Rockenfeller war der schnellste im Audi mit einer Zeit von 3.21,981 und war damit über zwei Sekunden langsamer als Bourdais im Peugeot.
Obwohl man bei einem 24 Stunden Rennen nicht unbedingt auf eine schnelle Quali-Zeit aus ist, waren die Gesichter im Audi Lager sehr lang. Die französische Presse verteilte schon einmal Lorbeer auf den zweiten Erfolg des 908 im National-Tempel von Le Mans. Audi konnte nur auf die defensive Waffe der sprichwörtlichen Zuverlässigkei setzen. Strategisch und taktisch hatte man im Lager der Ingolstädter keinerlei Spielraum. Schnell war den 235000 Fans klar das bei der 78. Ausgabe des Langstrecken-Klassikers zwei unterschiedliche Philosophien aufeinander traten. Peugeot setze alles auf reine Performance, während Audi beim Reglement bedingten letzten Einsatz eines offenen Prototypen die Zuverlässigkeit als Hauptargument in die Waagschale legte. Und wieder einmal sollten die Mannen um Jöst Technik-Guru Ralf Jüttner recht behalten. Spätestens nach zweieinhalb Stunden Renndauer wurden die Sorgenfalten in den Gesichtern der Peugeot Mannschaft immer tiefer.
Der von der Pole gestartete 908 fiel um 17.24 Uhr in Führung liegend mit defekter Vorderrad Aufhängung aus. Die nächste Katastrophe am Sonntag Morgen um 7.24 Uhr. Die Siegambitionen des 908 von Montagny/Sarrazin/Minassian lösten sich in einer Wolke aus weißem Rauch auf. Kapitaler Motorschaden. Gleiches Schicksal ereilte den letzten in Führung liegenden 908 von Gene/Wurz/Davidson um 12.51 Uhr. 75 Minuten vor Rennende das Aus für den Oreca 908 ebenfalls mit Motorschaden. Der Auftritt des siegessicheren Peugeot Teams wuchs sich zur internen und medialen Katastrophe aus. Peugeot Technik-Chef Bruno Famin orakelte bereits nach dem Qualifying: „Den Siegerpokal gibt es erst nach dem Zieleinlauf am Sonntag um 15.00 Uhr.“
Audi schaffte einen unerwarteten Triple-Erfolg dank ausgereifter und hoch zuverlässiger Technik. Alle drei R15 Plus TDI absolvierten die 24 Stunden ohne einen technisch bedingten Boxenstopp. So kamen die Sieger (Timo Bernhard/Romain Dumas/Mike Rockenfeller) auf eine Gesamt Standzeit von lediglich 35.25 Minuten. Bei allen drei Fahrzeugen beschränkten sich die Boxenstopps auf Routinearbeiten wie Reifen wechseln und tanken. Am Ende konnte Audi sich auch den Distanzrekord sichern. Timo Bernhardt/Romain Dumas und Mike Rockenfeller fuhren als erste im schnellsten 24 Stunden Rennen der Geschichte von Le Mans als Sieger über die Ziellinie, gefolt von Andre Lotterer/Marcel Fässler/Benoit Treluyer und Rekordsieger Tom Kristensen mit seinen Partnern Allan Mc Nish und Dindo Capello. Das Sieger-Trio absolvierte 397 Runden, was einer Distanz von 5410,713 Kilometern entspricht. Die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 225,228 km/h.
Damit übertraf das Audi Trio am 12/13.Juni 2010 den seit dem Jahr 1971 bestehenden Rekord von Dr. Helmut Marko und Gijs van Lennep imPorsche 917 um 75 Kilometer, der ebenfalls am Datum 12/13.Juni aufgestellt wurde. Damals gab es jedoch noch keine Schikanen auf der Hunaudieres Geraden. Für Audi war es der vierte dreifach Triumph an der Sarthe und der neunte insgesamt bei zwölf Starts. Das entspricht einer Siegquote von 75%.
Horst Bernhardt