Back on track: Der instandgesetzte Golf GTI TCR fährt zurück auf die Strecke
© Volkswagen Motorsport | Zoom

Im Golf GTI TCR über den Nürburgring: Probefahrt mal anders

(Speed-Magazin.de) Der Tag im Fahrerlager beginnt laut und nass: Ein vollverkleideter Rennwagen wird rückwärts aus der Box geschoben, Mechaniker beim ersten Kaffee, irgendwo kreischt ein Rennmotor. Die meiste Zeit schüttet es wie aus Kübeln. Echtes Eifel-Wetter also, das nicht von ungefähr zum Spitznamen „Grüne Hölle“ für die Nürburgring-Nordschleife beiträgt.

Golf GTI TCR – das Auto rockt

In der regennassen Boxengasse steht eine junge Frau. Gedankenverloren beißt sie ab vom mitgebrachten Butterbrot, schließt die Augen, geht gedanklich die Kurvenfolge der Grand-Prix-Strecke noch mal durch, auf der sie gleich unterwegs sein wird. Über ihrem Rennoverall trägt sie als Regenschutz eine Lederjacke. Das passt irgendwie. Denn das Auto, auf das sie wartet, rockt: ein waschechter Volkswagen Golf GTI TCR. Ein reinrassiges Rennauto also, das von Volkswagen Motorsport für die Teilnahme an Tourenwagenmeisterschaften und Kundensportevents aufgebaut wurde.

Die Fahrerin: Eve Wallenwein. Sie ist eine von gut einem halben Dutzend Nürburgring-Neulingen, die hier und heute erste Erfahrungen am Steuer eines GTI TCR sammeln. Sie alle sind Motorsport-Einsteiger oder besser: -Aufsteiger. Ihre Rennlizenz und erste Racing-Erfahrungen haben alle in der Tasche. Im Vorfeld des sechsten Laufs zur VLN-Langstreckenmeisterschaft gibt ihnen Volkswagen Motorsport Gelegenheit, den Golf GTI TCR auf der Rennstrecke ausgiebig auf Herz und Nieren zu testen.

Nachwuchsrennfahrerin Eve Wallenwein, bereit zum Track-Test
Nachwuchsrennfahrerin Eve Wallenwein, bereit zum Track-Test
© Volkswagen Motorsport
Hierzu stehen gleich zwei Fahrzeuge parat: das eine mit der Startnummer „7502“ mit DSG, dafür ohne ABS, das andere, Startnummer „7501“, ist mit dem langstreckentauglichen Nordschleifen-Setup, also sequenziellem Renngetriebe und ABS ausgestattet. Unter den Einstiegsinteressenten ist auch ein reines Mädels-Team um Initiatorin Nicole Kösters, zu dem Eve Wallenwein gehört. Gemeinsam tragen sie sich mit dem Gedanken, in der nächsten Saison als eigenes Team in den organisierten Motorsport einzusteigen. Noch allerdings fehlt ihnen das passende Auto dazu.

Praxistipps vom Profi

Der Golf GTI TCR von Volkswagen Motorsport bringt alles mit, was sie dafür brauchen. Sagt einer der es wissen muss: Benny Leuchter, seines Zeichens TCR-Rennfahrer und nach eigenem Bekunden „echter Regenfan“. Im Kundensportteam „Mathilda Racing“ geht er in der TCR-Klasse der VLN-Langstreckenmeisterschaft auf Titeljagd, gilt dort als Topfavorit. Den Golf GTI TCR, an dessen Entwicklung er maßgeblich beteiligt war, kennt er wie seine Westentasche. Gleiches gilt auch für den Nürburgring, wo er „nach 1.000 Runden aufgehört hat zu zählen“, wie er schmunzelnd bekennt.

Praxiswissen aus erster Hand, das der Duisburger gerne an die Nürburgring-Neulinge weitergibt. „Löchert mich ruhig“, sagt der TCR-Pilot. Das lassen sich Eve und Co nicht zweimal sagen. Doch zunächst steht die Fahrzeugeinweisung auf dem Programm.

„Licht wäre der schwarze Kipphebel hier“, erklärt Leuchter. In seiner Hand hält er das abnehmbare Race-Lenkrad. „Wenn ihr unterwegs das Bedürfnis habt, Frischluft zu kriegen, drückt den blauen Knopf“, erläutert er die wichtigsten Schalter und Knöpfe im Schnelldurchgang. „Race Start – braucht ihr für den Moment gar nicht“, sagt Leuchter. „Für euch ist wichtig dass ihr euch aufs Schalten und Bremsen konzentriert. Die Technik hilft dabei in Form einer Schaltempfehlung. „Wenn’s rot flasht, schalten“, so die knappe Anweisung.

Bereit: Die Testfahrer auf dem Weg zur Box
Bereit: Die Testfahrer auf dem Weg zur Box
© Volkswagen Motorsport
Und auch sonst hat der Profi wertvolle Tipps im Gepäck. Zum Beispiel die Faustregel, die da lautet: „bei Regen 50 % offline fahren“. Soll heißen: Um eine halbe Fahrzeugbreite neben der Ideallinie versetzt fahren, da sich auf ihr der meiste Gummiabrieb befindet. „Und Gummi auf Gummi wird immer rutschig“, erläutert Leuchter. Nicken in der Newbie-Runde.

„Voll geil“: zwei Worte, die alles sagen

Unbändige Rennbegeisterung bringen sie jetzt schon mit. Wenn sie auf die Grand-Prix-Strecke gehen, flackern die Bremslichter im Kampf um schnelle Rundenzeiten und spät gesetzte Bremspunkte. Wenn sie nach vier Runden auf dem 5,148 Kilometer langen Formel-1-Kurs wieder an die Box fahren, leuchten die Augen. „Voll geil“ – mehr als diese zwei Worte braucht es nicht, um das Erlebnis „GTI TCR auf dem Nürburgring“ zusammenzufassen.

Daran ändert auch das ungemütliche Eifel-Wetter nichts. „Das Auto fährt sensationell im Regen“, beruhigt Benny Leuchter seine Schützlinge. „Ausgewogen abgestimmt, breite Spur. Perfekt.“ Das kann Testpilotin Laura Luft nur bestätigen, als sie nach ihrer ersten „Probefahrt“ aus dem GTI Rennfahrzeug kraxelt. „Macht Spaß, das Auto, ohne Ende“, berichtet sie strahlend. „Du latschst aufs Gas und hast sofort ein fettes Grinsen im Helm.“

Das kommt nicht von ungefähr. Der GTI TCR ist für Spaß auf der Rennstrecke ausgelegt. Und setzt zugleich auf serienerprobte Technik. „Rund 65 Prozent aller Bauteile, aus denen der Golf GTI TCR aufgebaut ist, finden auch in der Serie Verwendung, etwa beim Serienmodell Golf GTI Performance“, erläutert Eduard Weidl, Leiter des TCR-Projektes bei Volkswagen Motorsport, den hier in der Box alle nur „Eddy“ rufen.

Zuverlässig und variabel – Golf bleibt Golf

Die Vorderachse ist eine komplette Rennsportentwicklung, die Hinterachse wurde für den Einsatz auf der Rennstrecke modifiziert. Ein mechanisches Sperrdifferenzial sorgt unterwegs für optimale Traktion. Das Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe (DSG) und der gesamte Antriebstrang sind dagegen „sehr seriennah“. Auf Renngeschwindigkeit bringt den Golf GTI TCR unter anderem der aus dem serienmäßigen Performance Modell Volkswagen Golf R bekannte Vierzylinder-Motor, dessen Leistung für den Rennsporteinsatz auf 237 kW/350 PS gesteigert wurde. Aus 1.984 ccm Hubraum entwickelt er nun ein maximales Drehmoment von 420 Nm. Seine Standfestigkeit muss dieser Motor also nicht mehr unter Beweis stellen.

Volkswagen Rennfahrer Benny Leuchter, in der VLN-Langstreckenmeisterschaft unterwegs
Volkswagen Rennfahrer Benny Leuchter, in der VLN-Langstreckenmeisterschaft unterwegs
© Volkswagen Motorsport
Auch dieser für den Rennsporteinsatz „entkernte“, auf das Wesentliche reduzierte und mit rennsportspezifischen Teilen „scharf“ gemachter Golf GTI TCR ist somit ein echter Golf – und als solcher ausgesprochen variabel. Das muss er auch sein: „Wir sind ja im Kundensport unterwegs. Da braucht es halt ein Setup, das auch Newcomern erlaubt, gute Zeiten zu fahren“, erläutert Eddy Weidl. „Er taugt für jeden“, fügt er lachend hinzu.

Dann Aufregung an Box 6. Jose Inacio, ein Gastfahrer aus Portugal, hat sich kurz vor dem Abzweig zur Nordschleife mit dem GTI TCR auf regennasser Fahrbahn um 180 Grad gedreht und ist mit dem Heck in die Begrenzung gerutscht. Schnell sind die Mechaniker zur Stelle, begutachten den Schaden am Auto: „Alles halb so wild.“

Der Rest ist Routine: Heckschürze demontieren. Drei Kabelbinder zum Fixieren. Schürze wieder dran. Tape drüber. Fertig. Nur ein paar Klebestreifen über dem leicht deformierten Blech zeugen nun noch von dem Ausrutscher auf regennasser Strecke. „Endlich sieht er aus wie ein Rennauto“, meint einer aus dem Team augenzwinkernd.

Dem Traum ein Stückchen näher

Nicht einmal 30 Minuten nach dem Ausrutscher startet der Motor des Golf GTI TCR wieder und nimmt den Nürburgring unter heiserem Gebrüll seines 350-PS-Motors für eine weitere Runde unter die Räder. Und die Augen derer, die ihn hier und heute zum ersten Mal über den „Ring“ pilotieren dürfen, flackern wieder mit den Bremslichtern um die Wette.

Am Ende des Testtages sind nicht nur die Mädels um Nicole Kösters „total begeistert von den Möglichkeiten, die in dem Auto, aber auch noch in unserer fahrerischen Entwicklung stecken“. Ihr Fazit, nachzulesen bei Facebook: „Wir sind unserem Traum ein Stückchen näher“.

Volkswagen Motorsport / ND