Sauber-Mercedes Gruppe-C-Rennsportwagen C 9, 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1989
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24-Stunden-Rennen von Le Mans 1989: Doppelsieg-Triumph vor 30 Jahren

(Speed-Magazin.de) 24 Stunden faszinierender Motorsport: Das ist das legendäre Langstreckenrennen von Le Mans. Vor 30 Jahren gelingt Mercedes-Benz mit den neuen Sauber-Mercedes C 9 Silberpfeilen ein Doppelsieg – genau wie bereits 1952 mit dem 300 SL Rennsportwagen (W 194). Ein drittes Fahrzeug kommt auf Rang 5 ins Ziel. Diese Bilanz macht das Rennen zu einem Highlight des Jubiläums „125 Jahre Motorsport von Mercedes-Benz“, das 2019 gefeiert wird.

Wie übersetzt man das packende 24-Stunden-Rennen von Le Mans am 10. und 11. Juni 1989 in ganz nüchterne Daten? Zum Beispiel mit zehn Zahlen zwischen 1 und 5.265,115: Auf den Plätzen 1, 2 und 5 kommen die Sauber-Mercedes Silberpfeile vom Typ C 9 ins Ziel. Sie gehören zu den 19 Sportwagen-Prototypen, die nach 24 Stunden das Rennen beenden – an den Start gegangen sind insgesamt 55 Fahrzeuge. Das Mercedes-Benz Siegerteam fährt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 219,990 km/h genau 389 Runden – das sind insgesamt 5.265,115 Kilometer.

Doch die ganze Spannung jedes 24-Stunden-Rennens von Le Mans steckt in den Geschichten hinter diesen Zahlen. So starten zwar zwei Sauber-Mercedes C 9 von den Plätzen 1 und 2. Sie tragen die Startnummern 62 und 61. Das spätere Siegerauto mit der Startnummer 63 jedoch geht lediglich von Platz 11 ins Rennen: Jochen Mass bringt es im ersten Turn mit einer eindrucksvollen Aufholjagd auf Rang 2 und übergibt an Manuel Reuter.

In Reuters zweiter Runde durchschlägt auf der Hunaudières-Geraden bei 380 km/h das verlorene Auspuffteil eines Konkurrenten die linke Flanke des Rennwagens – Zwangsboxenstopp für die Notreparatur und Rückfall um zwei Runden. Danach legt Reuter erneut los. „Ab da lief das Fahrzeug wie ein Uhrwerk“, erinnert sich der Rennfahrer. Nun ja, fast: Stanley Dickens, der Dritte im Siegerteam, riss mit einem leicht riskanten Fahrmanöver in der Tertre-Rouge-Kurve ein zweites Loch in die Karosserie, diesmal rechts. Ein Schöneitsfehler, denn bei der unerbittlichen Hatz durch den Tag, die Nacht und wieder den nächsten Tag ist keiner schneller als die drei: Sieg in Le Mans!

24 Stunden von Le Mans, 10./11. Juni 1989. Doppelsieg und fünfter Platz
24 Stunden von Le Mans, 10./11. Juni 1989. Doppelsieg und fünfter Platz
© Daimler
Die Teamkollegen Kenny Acheson, Mauro Baldi und Gianfranco Brancatelli sorgen mit Platz 2 für den Doppeltriumph – obwohl ihnen ein Getriebeproblem für die letzten anderthalb Stunden nur den fünften Gang gibt. Dennoch gelingt es, die Konkurrenten auf Abstand zu halten. Und der dritte C 9, gestartet von der Pole Position, kommt mit Alain Cudini, Jean-Pierre Jabouille und Jean-Louis Schlesser auf Platz 5 ins Ziel – hätte nach der Ansicht von Motorsportexperten vermutlich aber eher den Dreifachsieg komplett gemacht, wenn er nicht in der dritten Rennstunde in einen Unfall verwickelt worden wäre.

Das überlegene Auto der Saison 1989

Sauber-Mercedes C 9 heißt das erfolgeiche Auto: Entwickelt hat es der schweizerische Rennstall Sauber, und der Antrieb kommt wie bereits beim Vorgänger C 8 von Mercedes-Benz. Es tritt erstmals 1987 in der Gruppe C der Rennsportwagen an und gewinnt das Saisonfinale des Supercups der Gruppe C auf dem Nürburgring mit Jean-Louis Schlesser am Steuer. In der Saison 1988 kann der nun als Sauber-Mercedes an den Start gehende Rennwagen insgesamt acht Rennen für sich entscheiden. Für die Saison 1989 erhält der C 9 den neuen V8-Biturbo M 119 HL mit 4.973 Kubikzentimeter Hubraum und Vierventiltechnik, der in Qualifying-Abstimmung kurzfristig bis zu 680 kW (925 PS) liefert. Im Rennen sind es rund 530 kW (720 PS).

Für die Saison 1989 wird der C 9 nicht nur technisch weiterentwickelt, sondern bekommt nun auch eine silberne Lackierung. Sie signalisiert eindeutig, dass Mercedes-Benz erneut als Werksmannschaft auf der Rundstrecke um Siege fährt. Der C 9 ist das überlegene Auto der Saison und der erste siegreiche Silberpfeil nach 1955. Jean-Louis Schlesser wird mit sieben Siegen in acht Rennen Fahrerweltmeister 1989, Jochen Mass Vizeweltmeister, und Sauber-Mercedes gewinnt die Teamwertung.

Drei Männer, ein Sieg

Bei der Vorbereitung auf das 24-Stunden-Rennen von Le Mans im Jahr 1989 überlässt der damalige Mercedes-Benz Rennleiter Jochen Neerpasch, selbst ein erfahrener Le-Mans-Pilot, nichts dem Zufall. Ein dickes Strategiebuch enthält Anweisungen für fast alle Eventualitäten. Die Autos sind bestens präpariert – wie auch die Fahrer: Für körperliche Fitness sorgen ein gezieltes Training sowie Ernährungsvorgaben des legendären Willi Dungl.

Ende März wird auf der Rennstrecke Paul Ricard mit zwei C 9 ein 24-Stunden-Test gefahren. Einer fällt aus. Schlechtes Omen für Le Mans? Eher nicht: Das vielleicht anspruchsvollste Langstreckenrennen der Welt ist unwägbar. Es kürt unerwartete Sieger – und lässt Favoriten auf hinteren Plätzen oder mit Totalausfall verzweifeln.

Mit Respekt und Leidenschaft zum Sieg

Mercedes-Benz hat alle drei Fahrerteams sorgfältig aufgestellt. Im Siegerteam ist Manuel Reuter mit damals 27 Jahren der Jüngste. Er fährt für die Stuttgarter Marke 1989 auch in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM). „Der Sprung auf den C 9 war riesig“, erinnert er sich, „und ich hatte großen Respekt vor dem Boliden.“

24h Le Mans, 10./11. Juni 1989. Startszene, ganz vorn die Sauber-Mercedes C 9 Sport-Prototypen
24h Le Mans, 10./11. Juni 1989. Startszene, ganz vorn die Sauber-Mercedes C 9 Sport-Prototypen
© Daimler
Der 38 Jahre alte Schwede Stanley Dickens begegnet dem Rennsportwagen ebenfalls mit gesunder Ehrfurcht, obwohl er schon Erfahrung auf leistungsstarken Fahrzeugen und bei Langstreckenrennen mitbringt. „Das Auto war unglaublich schnell und das Fahren ein Vergnügen, nachdem ich mir den passenden Fahrstil angeeignet hatte“, berichtet er rückblickend. „Es war eine große Herausforderung, auf der Mulsanne-Geraden und sogar in dem kleinen Knick am Ende die höchstmögliche Geschwindigkeit zu fahren. Einmal erreichte ich 394 km/h. 1989 gab es in Le Mans noch keine Schikanen.“

Der seinerzeit 43 Jahre alte Jochen Mass ist der Routinier der Runde und im C 9 zuhause. Ein zusätzliches Plus: Acht Mal ist er zuvor bereits in Le Mans angetreten, was ihm eine vorzügliche Renn- und Streckenkenntnis beschert hat, jedoch bisher keinen Sieg. Mass teilt seine Erfahrung im Training mit den anderen beiden Fahrern: „Wir haben dann in Le Mans beispielsweise Kurven weich angebremst und sind ‚rund‘ hindurchgefahren, um harte Belastungen vom Auto fernzuhalten. Bei nahezu ununterbrochener Fahrt über fast 5.300 Kilometer Strecke ist das ein wichtiger Erfolgsfaktor.“

Triumphaler Doppelsieg und das dritte Auto auf Platz 5

Am Ende passt alles. Den Schluss-Turn fährt Jochen Mass, „nur noch mit Blick auf die offizielle Uhr bei Start und Ziel, aber in dieser Phase glaubt man, der Minutenzeiger würde sich überhaupt nicht mehr bewegen“, zitiert ihn das Fachmagazin „auto motor und sport“ im Rennbericht in Heft 13/1989. Mass ist Taktiker bis zum Schluss, so die Reportage: „Ich bin die letzten Runden langsamer gefahren und habe Zeit verschenkt, um unmittelbar nach 16 Uhr durchs Ziel zu rollen und nicht noch eine weitere Runde drehen zu müssen.“

Das Dreierteam holt nach 389 Runden den Sieg. Die Champagnerdusche genießen die drei Fahrer sehr. „Der Sieg war für mich ein Highlight“, sagt Jochen Mass noch heute. Für Dickens ist es der größte Sieg seiner Karriere, und bei Reuter hat der Pokal ebenfalls bis heute einen Ehrenplatz – und direkt daneben liegt das schlagkräftige Auspuffteil, das die Mechaniker ihm nach dem Rennen überreicht haben: als Erinnerung daran, dass das 24-Stunden-Rennen von Le Mans vor 30 Jahren auch anders hätte ausgehen können.

Auf Platz 2 folgt der zweite C 9 nach 384 Runden. Dieser Doppelsieg der Silberpfeile 1989 erinnert an den Triumph von Mercedes-Benz im 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1952, das Hermann Lang und Fritz Riess vor ihren Teamkollegen Theo Helfrich und Helmut Niedermayr auf Mercedes-Benz 300 SL Rennsportwagen (W 194) gewinnen. Aber einen gewichtigen Unterschied gibt es, nämlich ein weiteres Auto innerhalb der Top-Ten: Der dritte C 9 kommt trotz seines Unfalls nach 378 Runden auf Rang 5 ins Ziel. Die Feier nach der Siegerehrung sprengt dann auch den ursprünglich vorgesehenen Raum – und wird spontan ins große Hospitality-Zelt verlegt.

Auch 1990 und 1991 auf Siegesfahrt

24h Le Mans 1989: Die Sauber-Mercedes erzielen einen Doppelsieg
24h Le Mans 1989: Die Sauber-Mercedes erzielen einen Doppelsieg
© Daimler
1990 kommt der Sauber-Mercedes C 11 als Nachfolger des C 9 zum Einsatz. Er ist der erste Wagen von Sauber mit einem Kohlefaser-Chassis, was dem Fahrzeug eine besonders hohe Festigkeit verleiht. 1990 gewinnt Mercedes-Benz erneut sowohl den Fahrertitel (Schlesser und Baldi) als auch den Konstrukteurstitel der Weltmeisterschaft. Insgesamt fahren die neuen Silberpfeile 1989 und 1990 zusammen 16 Siege bei insgesamt 18 Rennen nach Hause. Für die Saison 1991 sind keine aufgeladenen Motoren mehr in der Gruppe C zugelassen, und Mercedes-Benz entwickelt den neuen 3,5-Liter-V12-Motor M 291 (478 kW/650 PS) für den C 291. Es ist der letzte Gruppe-C-Wagen von Mercedes-Benz, mit dem im Oktober 1991 das Team Michael Schumacher/Karl Wendlinger überraschend das Saison-Abschlussrennen der Sportwagen-Weltmeisterschaft in Autopolis (Japan) gewinnt.

Der Siegerwagen im Mercedes-Benz Museum:
Raum „Mythos 7: Silberpfeile – Rennen und Rekorde“
Sauber-Mercedes C 9 Rennsportwagen (Motor M 119 HL)
Startnummer 63 (Team: Stanley Dickens, Jochen Mass und Manuel Reuter)
Einsatz: 1989 bis 1990
Zylinder: V8
Hubraum: 4.973 Kubikzentimeter
Leistung: 530 kW (720 PS) im Rennen, bis zu 680 kW (925 PS) im Qualifying
Höchstgeschwindigkeit: rund 400 km/h

Daimler