Paffett: "Alles in allem gibt es mich noch in einem Stück."
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DTM VIDEO Paffett Crash - Safety First

(Speed-Magazin.de) Die Sicherheitsstandards der DTM-Fahrzeuge sind in der Welt der Tourenwagen einzigartig. Warum die Verantwortlichen für die eigene Rennserie derart hohe Anfordeungen ausgerufen haben wurde in der 33. Runde des Rennens auf dem Norisring mehr als deutlich. Jamie Green und Gary Paffett fuhren Tür an Tür mit über 250 km/h auf die erste Haarnadelkurve zu. Es gab eine kurze, leichte Berührung, dann hebelte eine Bodenwelle Paffetts Mercedes-AMG aus. Der 36-jährige knallte mit der Fahrzeugfront voraus vehement in die Leitplanke und drehte sich unkontrolliert zurück auf die Strecke. Anschließend krachte der Mercedes-AMG mit großer Wucht in die Fahrertür des Audi RS 5 DTM von Mike Rockenfeller. Die Fans an der Strecke und die 1,47 Millionen Zuschauer im Ersten hielten den Atem an. Was so spektakulär und fürchterlich aussah, nahm einen glimpflichen Ausgang. 

„Ich habe viele blaue Flecken, ein paar Schnittwunden hier und da, aber alles in allem gibt es mich noch in einem Stück. Die Röntgenaufnahmen waren ok, ich habe nur eine Rippenprellung, es ist nichts gebrochen“, sagte Paffett erleichtert nach seiner Rückkehr aus dem Krankenhaus. Die Erinnerung an den Unfall war allerdings noch allgegenwärtig. Bis ins kleinste Detail schilderte Paffett den Schockmoment. „Jamie und ich fuhren Seite an Seite, unser DRS war offen und wir hatten Höchsttempo drauf. Wir haben uns leicht berührt und wegen der Bodenwellen habe ich dann die Kontrolle verloren. Danach war ich eigentlich nur noch Passagier. Zwei extrem harte Einschläge in die Leitplanken, und dann habe ich noch Mike erwischt. Es war echt erschreckend und furchteinflößend. Es hat sich angefühlt, als ob dieser Unfall niemals aufhören würde, es ging weiter und weiter, und als es endlich vorbei war, musste ich erstmal eine Minute sitzen bleiben, mich sammeln und schauen, ob ich okay bin. Bei diesen Einschlägen hätte ehrlich gesagt noch viel Schlimmeres passieren können.“


„Vielen Dank an die Ingenieure, die mir so ein sicheres Auto gebaut haben, die DTM-Fahrzeuge sind unglaublich stabil. Die Ärzte, die einen Klassejob gemacht haben, haben sich echt gewundert, dass ich praktisch keine Verletzungen habe. Als ich Ihnen erzählte, wie schnell ich bei dem Unfall war, da konnten sie es kaum glauben“

Paffett

 

AUSWERTUNG DES DATENSCHREIBERS BRACHTE IMPOSANTE WERTE ZU TAGE
Die Analyse des Datenschreibers im Auto, vorgenommen durch die Techniker beim Deutschen Motor Sport Bund (DMSB), brachte – in Verbindung mit den Videoaufnahmen – furchterregende Werte für den Crash ans Tageslicht: Die Geschwindigkeit von Gary Paffett kurz vor dem Aufprall betrug 255 km/h. Beim ersten Einschlag in die Leitplanke entstanden Fliehkräfte von sechs bis acht g. Beim Zusammenstoß mit Rockenfeller wenige Sekunden später war die Wucht aufgrund des spitzen Winkels deutlich größer: 35 bis 40 g wurden gemessen, als die Front des Mercedes-AMG in die Seite des Audis krachte. Zum Vergleich: Bei einem Frontalaufprall eines 80 km/h schnellen PKW in einer Mauer treten kurzzeitig Kräfte von 25g auf.

Seit dem Start der „neuen“ DTM im Jahre 2000 steht die Sicherheit am Arbeitsplatz klar im Vordergrund. Das haben sich die Verantwortlichen in dicken Lettern auf die Fahnen geschrieben.

ROCKENFELLER LOBT TROTZ VERLETZUNG SICHERHEIT SEINES AUTOS
Etwas schlimmer erwischte es Mike Rockenfeller, der zusammen mit Paffett im Krankenwagen Richtung Nürnberg saß. Der DTM-Champion von 2013 brach sich den fünften Mittelfußknochen im linken Fuß. „Es tut alles ein bisschen weh, aber grundsätzlich geht es mir gut. Der Schlag war ziemlich heftig. Ich war gar nicht darauf vorbereitet. Der Fuß ist mir durch die Wucht gegen das Kupplungspedal geschlagen. Ich habe direkt gemerkt, dass etwas nicht stimmt“, so Rockenfeller, der sich den Unfall danach auf seinem Handy angeschaut hatte. „Der Schlag von Gary in mein Auto hat sich viel schlimmer angefühlt, als es auf den Bildern aussieht. Die Wucht der Masse war enorm. Zum Glück sind die Autos sehr sicher, das hat man ja gesehen, das mit meinem Fuß war ein unglücklicher Umstand. Das Pedal ist wie eine Stahlplatte und wir haben ja dünne Schuhe an. Das Monocoque war auch bei mir noch intakt.“ Ob Rockenfeller beim nächsten Rennen in Moskau bereits wieder starten kann, ist derzeit noch unklar und hängt vom Heilungsverlauf ab.

"Der Schlag von Gary in mein Auto hat sich viel schlimmer angefühlt als es auf den Bildern aussieht"
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Egal ob ein Audi, ein BMW, oder ein Mercedes-AMG, die Fahrzeuge der DTM sind konsequent auf höchste Sicherheit ausgelegt. In keiner anderen Tourenwagenserie ist der Standard an die Sicherheitsanforderungen so hoch – das hat sich die DTM selbst auferlegt. In kooperativer Zusammenarbeit stellen alle beteiligten Parteien ihre Erfahrung sowie Forschungs- und Testergebnisse regelmäßig zur Verfügung, um den höchstmöglichen Sicherheitsstandard zu gewährleisten. Rund ein Drittel der Kosten eines DTM-Autos entfallen auf die Sicherheitsausstattung. Die Außenhaut an Front und Heck des Fahrzeuges von Gary Paffett war nach mehreren harten Einschlägen in die Leitplanke und in das Auto von Rockenfeller größtenteils zerstört. Aber das Monocoque war unbeschädigt und schützte die Gesundheit der Piloten eindrucksvoll.

UMFASSENDES SICHERHEITSKONZEPT GREIFT
Die wichtigsten Sicherheitseinrichtungen in den DTM-Fahrzeugen sind das Monocoque aus Kohlefaser sowie der Überrollkäfig aus hochfestem Stahl. Außerdem ist jedes Fahrzeug mit sogenannten Crash-Absorbern versehen, die den Fahrer zusätzlich vorn, hinten und an den Seiten schützen. Mit einem an sechs Punkten befestigten Sicherheitsgurt wird der Fahrer im Sitz fixiert, den er im Notfall mit einem Handgriff leicht öffnen kann. Im Vergleich zu einem Serienfahrzeug sitzen die DTM-Fahrer sehr weit hinten, etwa auf der Höhe der Rücksitzbank eines Serienautos. Aufgrund der Verstrebungen der Sicherheitszelle ist das Ein- und Aussteigen eine akrobatische Übung. Im Falle eines Unfalls muss der Fahrer das Fahrzeug innerhalb von sieben Sekunden durch die Fahrertür und innerhalb von neun Sekunden durch die Beifahrertür selbstständig verlassen können. Um einen Fahrer zu bergen, der sich nicht aus eigener Kraft aus dem Auto befreien kann, verfügen die DTM-Fahrzeuge über eine von außen zu öffnende Klappe im Dach. Die Bergung von Fahrern wird bei der Extrication-Übung zudem bei jeder DTM-Veranstaltung geprobt – damit im Ernstfall jeder Handgriff sitzt. Der DMSB hat zur Überprüfung des DTM-Sicherheitskonzeptes ein Testprogramm entwickelt, das von der unabhängigen Sachverständigen-Organisation DEKRA durchgeführt und analysiert wird.

DTM / ND