"Denjenigen hätte ich für verrückt erklärt..."
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DTM: Rene Rast im Interview nach einem Wochenende der Superlative

(Speed-Magazin.de) René Rast hat Historisches geschafft in der DTM. Der Champion holte am Nürburgring zweimal die Pole Position und gewann beide Rennen. Der Audi-Pilot sicherte sich somit die maximale Ausbeute. 56 Punkte sammelte noch kein Fahrer in der Tourenwagenserie an einem Wochenende, seitdem es auch Punkte für das Qualifying gibt. Im Interview spricht der gebürtige Mindener, der nun mit 149 Punkten schon Dritter der Fahrerwertung hinter den beiden Mercedes-AMG-Piloten Gary Paffett (206) und Paul Di Resta (204) ist, über seine unvergesslichen Tage in der Eifel und seine Ausgangslage für den Saisonendspurt.

Wie fühlst du dich nach diesem unglaublich erfolgreichen Wochenende?
Das ist einfach gigantisch. Wir haben Geschichte geschrieben. Zwei Poles, zwei Siege, das gab es zuvor noch nie in der DTM. Es war aber kein einfaches Wochenende, wir hatten harte Rennen. Vorneweg zu fahren, das sieht einfach aus. Aber, es ist mental anstrengend. Wenn dein Konkurrent immer mehr aufschließt, und deine Reifen sind abgefahren, dann musst du dich sehr darauf konzentrieren, keine Fehler zu machen.

Kannst du diese Herausforderung genauer schildern?

Rast voll in Fahrt
Rast voll in Fahrt
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Es ist ganz schwer, wenn man führt und den Gegner nicht sieht. Du schaust in den Rückspiegel und versuchst eine Referenz zu bekommen. Fahre ich zu langsam, oder zu schnell. Das weißt du natürlich in dem Moment nicht. Demenentsprechend habe ich meine Reifen auf einen Level gebracht, wo ich dachte, okay, so kann ich fahren. Ich habe heute immer auf die Leinwände an der Strecke geschaut und versucht, irgendwas zu erhaschen. Aber, ich habe immer nur Pascal Wehrlein oder Nico Müller gesehen. Ich habe nie wirklich Paul Di Resta oder Marco Wittmann entdeckt. Zehn Minuten vor Schluss denkst du, eigentlich ist alles ganz entspannt. Und auf einmal geht nichts mehr und dann ist ja jemand. Und dann fängt das mentale Spiel an. Du hörst auf die Geräusche im Auto und versucht einfach nur die letzten Runden rumzukriegen.

Deine Markenkollegen haben heute die Plätze zehn, elf, zwölf, 13 und 15. belegt. In der Fahrerwertung ist Mike Rockenfeller als 13. der zweitbeste Audi. Was machst du anders als die anderen Piloten deiner Marke?
Ich kann mich da nur immer wiederholen. Mir gefällt das Auto, ich fühle mich wohl darin. Wenn die Symbiose zwischen Auto und Fahrer perfekt ist, dann kann man einen guten Job machen. Wir haben ein gutes Setup gefunden, das mir taugt. Ich kann mit dem Auto spielen und es mir so einteilen, wie ich möchte. Vielleicht haben die anderen Fahrer noch nicht das Setup, mit dem sie sich hundertprozentig wohl fühlen. Ein, zwei Zehntel machen halt schon mal zehn Positionen aus. Wenn man das Auto hat, muss man es dann noch zusammenbringen. Das ist mir in den letzten Monaten gut gelungen.

Inwieweit hat sich die für die Teams bindende Festlegung eines Mindestluftdrucks (1,3 bar) der Reifen hier am Nürburgring positiv ausgewirkt für dich?
Ich würde nicht sagen, dass wir davon profitiert haben. Im Qualifying ist alles wie immer. Da haben wir das Auto aus eigener Kraft auf die Pole gestellt. Wenn man die vergangenen Rennen Revue passieren lässt, waren wir in den Rennen auch schon die stärkere Macht. Insofern muss man das Ganze mal relativieren. In Zandvoort und in Brands Hatch haben wir wegen der Pace gewonnen. Wir sind immer nach vorne gefahren und nicht nach hinten.

Du hast in deiner Karriere schon alles gefahren, was vier Räder hat. Ist das ein Vorteil für dich in der DTM?
Mit Sicherheit. Ich kann die verschiedenen Fahrstile der unterschiedlichen Fahrzeuge immer wieder adaptieren auch im Rennen. Fängt das Auto an über die Vorderachse zu rutschen, dann weiß ich, wie ich das Auto dennoch schnell fahren kann. Dasselbe kann ich aber auch mit der Hinterachse, wenn sich das im Rennen verändert. Ich kann meinen Fahrstil immer schnell dem Auto anpassen, das ich gerade habe. Ich brauche kein perfektes Auto, damit ich schnell bin. Ich bin schon viele Autos gefahren, die wenig Aerodynamik hatten und viel gerutscht sind. Das haben wir jetzt wieder in der DTM. Das Auto ist mit den neuen Regeln schwierig zu fahren. Da habe ich mich anscheinend schnell drauf eingestellt.

Du hast in den ersten neun Rennen 23 Punkte geholt, in den letzten sieben Rennen stolze 126 Punkte. Wie ist dir der Turnaround gelungen?

Grund zum Feiern
Grund zum Feiern
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Wir haben anfangs des Jahres die Philosophie des Setups vom letzten Jahr übernommen. Natürlich aufgrund der veränderten Aerodynamik nicht eins zu eins. Wir haben früh gemerkt, dass es nicht funktioniert. Dann haben wir eingegriffen und gesagt, wir müssen einen anderen Weg nehmen. In Zandvoort haben wir dann den Weg gefunden, der mir und dem Auto passte. Wenn man ihn gefunden hat, dann macht man hier noch ein bisschen und da noch ein bisschen. Dann sind es nur noch kleine Anpassungsschritte. Man fährt schon relativ aussortiert zur Strecke hin und macht dann nach Möglichkeit nur Kleinigkeiten.

Wird Audi dich jetzt voll unterstützen im Titelkampf?
So weit ist es dieses Jahr noch nicht gekommen, dass dies notwendig war. Wir haben versucht, für jeden Fahrer das Rennen zu maximieren. Wir sind jetzt in einer guten Position, den Rest werden wir sehen. Theoretisch ist noch alles möglich.

Fühlst du dich wohl in der Rolle des Jägers?
Es ist entspannter. Du kannst mehr gewinnen, als verlieren. Wenn mir jemand vor sechs, sieben Wochen gesagt hätte, du bist nach dem Nürburgring Dritter in der Meisterschaft und kämpfst um den Titel, den hätte ich für verrückt erklärt. Genauso wie wenn mir letztes Jahr jemand gesagt hätte, du wirst Meister.

Wieviel Geld würdest du jetzt auf die Titelverteidigung von dir setzen?
Ich würde nicht zu viel setzen. Vielleicht etwas mehr, wenn die Quote hoch wäre. Paul und Gary kämpfen auch um Positionen und um die Meisterschaft, es ist ja nicht so, dass die nebeneinander herfahren und sich zuwinken. Sie sind direkte Konkurrenten auf der Strecke. Dass die beiden sich mal in die Quere kommen, ist nicht unwahrscheinlich. Wenn ich dann der lachende Dritte bin, gerne!

DTM / RB