Volker Strycek gewann 1984 mit einem BMW 635 CSi die DTM
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DTM Norisring-Analyse: Ein Thema für Volker Strycek

(Speed-Magazin.de) Volker Strycek ist ein Urgestein der DTM. Der 59-Jährige gewann 1984 mit einem BMW 635 CSi die DTM, die damals noch Deutsche Produktionswagen-Meisterschaft hieß. Kurios dabei war, dass Strycek den Titel holte, ohne einen Lauf zu gewinnen. Der gebürtige Essener fuhr bis 1996 insgesamt 103 Rennen in der DTM, von 1989 bis 1996 saß er für Opel hinter dem Lenkrad. 2003 gewann er mit Manuel Reuter, Timo Scheider und Marcel Tiemann das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring mit dem DTM-Opel Astra V8. Seit 1998 ist er Geschäftsführer des Opel Performance Centers (OPC) und Opel-Sportchef. Seit 2006 lehrt er an der Technischen Universität Berlin. Ein Jahr später übernahm er das Amt des AvD-Sportpräsidenten. Bei den Rennen am Norisring war Strycek als Co-Kommentator für die ARD im Einsatz. DTM.com hat ihn zum verregneten Lauf am Samstag, dem schweren Unfall und dem Herzschlagfinale am Sonntag interviewt. 

Du hast die beiden Läufe auf dem Norisring aufmerksam verfolgt. Wie war dein Eindruck?
Es war wie immer spannend, zwei außergewöhnliche Rennen, die extrem fordernd für die Nerven waren und die Lust auf die DTM gemacht haben. Insbesondere das Rennen am Sonntag. Es ging ja eigentlich am Samstag schon los, als der Regen kurz vor dem Start einiges schwieriger gemacht hat. Das hat dem Lauf Würze gegeben. Das Taktieren mit den Reifen und wer wann in die Box geht, hat ja auch Spannung hervorgerufen. Der Sport auf der Strecke war so mitreißend, besser geht es nicht. Es gab tolle Zweikämpfe, jeder war siegfähig. Da ging richtig die Post ab. Da konntest du ja gar nicht auf dem Stuhl sitzen bleiben, zumindest ich nicht. Von der Seite her kann man für das gesamte Wochenende einfach nur die Note eins verteilen.

Bei dem Unfall von Gary Paffett und Mike Rockenfeller hielten die Zuschauer an der Strecke und vor dem Fernseher den Atem an. Wie hast Du den Crash erlebt?

Jamie Green, Tom Blomqvist und Timo Glock
Jamie Green, Tom Blomqvist und Timo Glock
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Den Unfall hat keiner gebraucht, es ist aber auf der anderen Seite immer wieder schön zu sehen, wie hoch der Sicherheitsstandard in der DTM ist und wie glimpflich das abgelaufen ist, trotz des Fußbruchs von Mike Rockenfeller. Vor vielen Jahren hätte so ein Crash aber Schlimmeres bedeutet als das, was jetzt dabei rausgekommen ist. Mit den Autos, mit denen wir bei den Tourenwagen Classics am Vormittag gefahren sind, wenn uns da jemand so in die Tür gerauscht wäre, dann, glaube ich, wäre es nicht nur ein Fußbruch gewesen. Das fing ja schon damals an, als Audi, Mercedes und Opel das neue Sicherheitskonzept angepackt haben, was heute weiterentwickelt worden ist. Dieser Standard ist auf höchstem Niveau. Das rechtfertigt auch die Investition und vor allem die Entwicklung, wenn man sieht, dass solche Unfälle so ausgehen können, wie sie ausgegangen sind.

Was war das für ein unglaubliches Finale am Sonntag? Marco Wittmann, Mattias Ekström und Edoardo Mortara fuhren innerhalb von 27 Tausendstelsekunden über den Zielstrich. „Edo“ lag gerade mal zwei Tausendstelsekunden, umgerechnet nur elf Zentimeter, vor „Eki“…
So ein Fight bis zur Ziellinie ist außergewöhnlich. Das zeigt auch ganz klar, dass die modifizierten Regularien auf jeden Fall greifen. Auch auf einer Strecke wie dem Norisring, wo man häufig gesehen hat, dass die Rennen wie in einer Prozession abgelaufen sind. Das waren Millimeterabstände, die da gefahren worden sind, und das eigentlich über die gesamte Renndistanz. Das war ein Ende der Superlative.

Hattest Du BMW dieses beeindruckende Comeback ausgerechnet auch noch am Norisring zugetraut?
Ich rechne immer mit allem. Wenn eine Marke schwer in die Saison kommt, heißt das noch lange nicht, dass sie auch schwer aus der Saison herausgeht. Es war klar ersichtlich, dass BMW die richtigen Maßnahmen eingeleitet hat, um genau das zu erreichen, was sie erreicht haben. Nämlich Speed aufzubauen und den Speed vor allem über die Renndistanz zu halten. Man konnte auch sehen, dass Maxime Martin gerade am Sonntag in der Lage war sich das Rennen vom Speed her so einzuteilen, dass er jederzeit kontrolliert vorne fahren konnte. Man konnte sehen, wie ruhig die Autos waren, man konnte sehen wieviel Grip sie aufgebaut haben beim


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rausbeschleunigen, was ja am Norisring existentiell entscheidend ist. Dementsprechend war das am Ende des Tages auch ein verdienter Sieg. Man darf nicht vergessen, wie Bruno Spengler da am Samstag losmarschiert ist, das war ein sensationeller Start. Wenn Spengler am Sonntag ohne Reifenschaden geblieben wäre, da muss man sich nichts vormachen, dann hätte der Junge da vorne auch nochmal mit reingegrätscht.

Comeback Nummer zwei, Bruno Spengler hat mit dem Sieg am Samstag eine vierjährige Durststrecke beendet. Hat dich das beeindruckt?
Wer Profi ist, der muss das ganz einfach können. Das erwarte ich von einem Profi-Fahrer. Ich weiß selber, wie schwer das ist, wenn du so eine Zeit überbrücken musst, wie da der Kopf hängt, wie da die Motivation nach unten geht. Das zeichnet einen guten Rennfahrer aus, der dann auch solche Phasen durchleben kann, der trotzdem an sich arbeitet, mit dem Team arbeitet und immer an sich glaubt. Die schwere Zeit, die er jetzt hatte, die war mit dem Sieg am Samstag pulverisiert. Nach so einem Erfolg tankt man natürlich komplett neue Motivation. Man ist wie revitalisiert. Mit Bruno Spengler habe ich mich häufig unterhalten können. Ich hatte immer den Eindruck, dass er stark im Kopf und sehr stabil ist. Für mich persönlich war das keine Überraschung, dass er es geschafft hat, wieder zurückzukommen. Ich bin davon überzeugt, mit dem Paket, was BMW gerade hat, kann er auch die nächsten Rennen vorne mitfahren. Was ich auch nie bezweifelt habe. Es liegt in der Natur der Dinge, dass man Fahrer ganz schnell abhakt, die vielleicht mal für einen Moment untergehen. Man sollte aber nie vergessen, wie eng die DTM ist, wir reden da zum Teil von Hundertstelsekunden. Manchmal ist es nur eine Kleinigkeit, die das Auto und den Fahrer nicht zusammenkommen lässt.

Was sagst Du zu Maxime Martin? 61 Punkte in drei Rennen sind eine stolze Bilanz. Wen hast Du sonst noch auf dem Zettel?

Mattias Ekström, Marco Wittmann und Edoardo Mortara
Mattias Ekström, Marco Wittmann und Edoardo Mortara
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Dritter, Zweiter, Erster – besser geht es nicht. Und ruckzuck ist auch auf einmal ein Marco Wittmann wieder dabei, der letztes Jahr zu Beginn der Saison auch so ein bisschen hinterher hinkte. Und am Ende des Jahres war er auf einmal der große Meister. Da kommen auch noch einige andere hinzu, die Ambitionen und realistische Chancen haben. Man sieht ja, wie schnell das geht. Wie ein Tabellenführer René Rast in der Punktetabelle ganz schnell nach unten rauscht. So kann es anderen auch ergehen. Da wird aus einem Polster schnell ein Rückstand. Es ist alles möglich, wir haben noch viele Rennen. Wir haben nicht mal Halbzeit. Es sind viele Punkte zu vergeben. Dementsprechend bin ich der Überzeugung, es wird noch die eine oder andere Überraschung dazu kommen, die wir jetzt noch gar nicht auf dem Radarschirm haben. Jeder kann gewinnen. Für mich sind momentan alle drei Marken auf dem Niveau den Titel holen zu können. Wir haben die Wiedergeburt der Siegfähigkeit der BMWs gesehen.

Lucas Auer hat nach seinem zweiten Platz am Sonntag sehr bildhaft erklärt, wie ihn am Ende des Rennens ein Krampf im linken Fuß behinderte. Ist Dir auch schon mal so etwas passiert?
Das hat man häufig. Ich habe es am Sonntag selber erlebt. Der Norisring geht ja unheimlich über die Bremse, das sind schon Kräfte, die du da mobilisierst. Da kriegst du auf einmal Krämpfe, das tut so weh, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Du hast wirklich Schmerzen, da könntest du die Wände hochlaufen. Ich finde den Jungen sowieso wahnsinnig erfrischend. Das ist die Young Generation, die einfach Charme hat, die sympathisch ist, die authentisch rüberkommt, und wie er das erzählt hat, dachte ich, das kenne ich. Ich habe das ab und an auch auf der Langstrecke, das konnte ich sofort nachvollziehen.

DTM / ND