Am 18. Juni 1988 feierten die Tourenwagen vor 100.000 Zuschauern ihre Premiere auf der Nordschleife
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Die DTM am Nürburgring: Armbruch, Notoperation, Rückzug zur Halbzeit

(Speed-Magazin.de) Sie ist legendär, furchteinflößend und unbarmherzig – die Rede ist von der Nordschleife. Der dreifache Formel-1-Weltmeister Jackie Stewart verlieh der Strecke durch die Eifelwälder einst ehrfurchtsvoll den Namen „Grüne Hölle“. Noch besser auf den Punkt brachte es bereits beim Eröffnungsrennen am 18. Juni 1927 ein englischer Journalist mit dem bildhaften Spruch man habe „wohl einen torkelnden Riesen im Vollrausch losgeschickt, um die Strecke festzulegen". Noch heute legendär: Auch die DTM trug in den Jahren 1988, 1989, 1990, 1992 und 1993 Rennen auf der längsten permanenten Rennstrecke der Welt aus. DTM.com blickt zurück auf spektakuläre Unfälle, unterhaltsame Anekdoten und strahlende Sieger.

Am 18. Juni 1988 feierten die Tourenwagen vor 100.000 Zuschauern ihre Premiere auf der Nordschleife. Zwei Rennen á vier Runden über jeweils 25,300 Kilometer nahmen 41 Fahrer nach dem Training in Angriff. Die unübersichtlichen Kurven, die tückischen Kuppen, das starke Gefälle und die häufig wechselnden Fahrbahnbeläge stellten Mensch und Maschine auf eine harte Bewährungsprobe. Beim Debüt fuhr Armin Hahne die Konkurrenz mit dem Ford Sierra Cosworth von Tuner Walter Wolf in beiden Läufen in Grund und Boden und ihm glückte dabei in 9:29,83 Minuten auch die schnellste Runde. Schneller als je ein Tourenwagen-Pilot zuvor auf der Nordschleife war. Überschattet wurde der erste Lauf von einem schweren Unfall. Vom 16. Platz aus hatte sich Klaus Niedzwiedz bis auf Rang zwei vorgearbeitet. Bei rund 290 Sachen stellte sich der Ford am „Tiergarten“ quer. Niedzwiedzs Auto schlug mit voller Wucht in die Streckenbegrenzung ein und stieg auf. Der geschockte Fahrer, der zum Glück mit einem gebrochenen Oberarm noch einigermaßen glimpflich davonkam, sagte später: „Ich dachte, ich fliege auf die angrenzende Bundesstraße.“

Bernd Schneider 1993
Bernd Schneider 1993
© DTM
Ein Jahr später wurde Klaus Ludwig zum großen Pechvogel. 14 Sekunden schneller als im Vorjahr Armin Hahne fuhr er mit dem Mercedes 190E auf die Pole Position. In 9:09,76 Minuten setzte er neue Maßstäbe. Sein Startplatz im Rennen blieb allerdings leer. Ludwig musste aufgrund von Nierensteinen notoperiert werden. Kurt Thiim schien zunächst für seinen Markenkollegen in die Bresche zu springen, doch bei Halbzeit des ersten Rennens war für den Dänen Endstation. „Plötzlich hatte ich den Schalthebel in der Hand.“ Alain Ferté gewann letztlich beide Läufe für das Team von Walter Wolf im Ford Sierra Cosworth jeweils vor den BMW M 3-Fahrern Johnny Cecotto und Roberto Ravaglia. Dem Franzosen standen danach die Tränen in den Augen. „Schon als kleines Kind habe ich davon geträumt, auf dieser Strecke einmal zu gewinnen.“

1990 lagen die Mercedes-Piloten Ludwig und Thiim in der Meisterschaft vor den beiden Läufen auf der Nordschleife nur auf den Plätzen vier und fünf. Kurzerhand fiel die Entscheidung den „Evo 2“ einzusetzen, die AMG-Mechaniker schufteten und schraubten bis zur letzten Sekunde. Der Plan ging zunächst auf. Beide standen nach dem Training in der ersten Reihe. Am Ende wurde es ein Fiasko. Ludwig führte bis zum Schwalbenschwanz. Dann blieb der „Evo 2“ stehen, ein Kabel der Benzinpumpe hatte sich gelöst. Thiim platzte in der Fuchsröhre Ende der ersten Runde der rechte Hinterreifen. In Lauf zwei starteten beide am Ende des Feldes. Thiim wurde im Ersatzwagen, dem „Evo1“, Siebter und Ludwig platzte im reparierten Einsatzwagen nach einer Aufholjagd bis auf Platz vier der rechte Hinterreifen. Zunächst feierte das Bigazzi-Team einen Dreifachsieg durch Jacques Laffite, Joachim Winkelhock und Steve Soper mit dem BMW M3. Im zweiten Durchgang bremste Soper Laffite aus und riss dabei dessen Frontspoiler weg. Winkelhock rollte mit einem Defekt der Hinterachse aus, Soper explodierte der Motor. AMG-Junior Fritz Kreutzpointner fuhr bei seinem ersten Einsatz auf der Nordschleife auf Rang zwei. Frank Biela gewann mit dem Mercedes zum ersten Mal seit 1987 auf der Avus wieder einen DTM-Lauf. Johnny Cecotto verteidigte mit Platz drei die Führung in der Meisterschaft. 1991 pausierte die DTM auf der Nordschleife, da das ZDF Probleme hatte, das Geschehen auf der über 25 Kilometer langen Strecke einzufangen. 1992 und 1993 war die Nordschleife ein letztes Mal Teil der DTM-Geschichte.

Autogrammstunde auf der Nordschleife
Autogrammstunde auf der Nordschleife
© DTM
1992 waren die ersten fünf Plätze in beiden Rennen identisch. Nur Johnny Cecotto unterbrach als Zweiter die Mercedes-Phalanx von Klaus Ludwig, Keke Rosberg, Bernd Schneider und Kurt Thiim. Der Venezolaner lieferte sich aufregende, unvergessene Duelle in beiden Rennen mit Ludwig. Obwohl die Ring-Schlacht am Donnerstag vor dem 24-Stunden-Rennen stattfand, kamen 110.000 Zuschauer. Bei Audi herrschte großer Frust, dem schnellsten Fahrzeug fehlten im Training 15 Sekunden auf die Pole Position. Die Autos waren schlichtweg zu schwer. Das neue Triebwerk war zu anfällig und wurde nicht eingebaut. Weil das Auto immer wieder durchschlug, musste Audi sogar die Kohlefaser-Ölwannen verstärken. Mit einer erneuten Nullnummer verabschiedeten sich die Ingolstädter letztlich aus der DTM. Vor dem Norisring erfolgte zur Halbzeit der Serie der spektakuläre Rückzug.

1993 waren die Rennen geprägt vom Länderduell Deutschland gegen Italien. Herausforderer Alfa Romeo forderte den Titelverteidiger Mercedes heraus. Nicola Larini drehte vorsichtshalber 15 Runden mit einem Privatauto, ehe er sich mit dem DTM-Alfa auf die „grüne Hölle“ traute. „Am besten man schaut nur geradeaus. Denn es ist besser, man sieht nicht, was man da macht“, sagte der Tabellenführer, der zur großen Überraschung aller beide Rennen gewinnen konnte. Für Klaus Ludwig waren ein zweiter und ein dritter Platz die größte Enttäuschung des Jahres. Auf seiner Hausstrecke war er von einem Nordschleifen-Neuling geschlagen worden. „An diesem Tag hat mich Ludevico nicht mehr gegrüßt“, behauptete Larini einige Monate später.

In diesem Jahr schreibt die DTM vom 8. bis 10. September ein weiteres Kapitel Nürburgring-Geschichte. Und auch wenn „nur“ die Kurzanbindung des Grand-Prix-Kurs befahren wird, dürfen sich die Fans auf packende DTM-Action

DTM / ND