Ferrari Portofino
© Ferrari | Zoom

Ferrari Portofino: Supersportler mit Klappdach für den Alltag

(Speed-Magazin.de) Ferrari – kaum eine Marke repräsentiert die Baukunst italienischer Supersportler mehr als das Traditionsunternehmen in Maranello. Man feiert dieser Tage den Geburtstag von Enzo Ferrari, dem Begründer der Edelschmiede, der bis ins hohe Alter stets von einer gewissen Arroganz beseelt war und gerade 120 Jahre alt geworden wäre. Allerdings war die nicht immer gerechtfertigt. Ferrari ist heute, genaugenommen, ein Teil von Fiat Chrysler Automobiles (FCA) und untersteht dem Oberkommando von Sergio Marchionne, dem Mann, der zu jedweder Gelegenheit im legeren blauen Pullover auftritt.

Zwar wurde der Sportwagenhersteller offiziell aus dem Fiat-Chrysler-Konzern ausgegliedert, doch ist Marchionne heute noch stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Investmentgruppe Exor, die wiederum der Agnelli-Familie gehört. Und die Agnellis hatten über viele Jahre bei Fiat das Sagen, in einer Zeit, als die heißblütigen GTs und Spitzensportler aus der Emilia Romagna plötzlich aus Kostengründen mit Serienbauteilen aus Fiat-Modellen bestückt wurden.

Ferrari Portofino
Ferrari Portofino
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Die Ferraristi, die Fans und Freunde des Herstellers, haben selbst diese Beleidigung weggesteckt und den Glauben an ihre Marke nicht verloren. Heute werden sie einmal mehr dafür belohnt. Zu Enzos Geburtstag betritt ein neuer Ferrari die Bühne, der im vergangenen Jahr auf dem Genfer Autosalon erstmals gezeigte Portofino, der die Nachfolge des Cabrios California T antritt. Er folgt den Wesenszügen seines Vorgängers, hat ein voll versenkbares Dach aus Aluminiumblech und Glas, einen V8-Motor mit fast vier Litern Hubraum, die Maschine vorn und den Antrieb hinten. Die Dimensionen der beiden offenen Supersportler unterscheiden sich kaum, der Portofino ist 4,59 Meter lang, das sind rund zwei Zentimeter mehr, in der Breite ist er um fast vier Zentimeter gewachsen. Trotzdem hat er abgespeckt. Um satte 80 Kilogramm unterbietet er seinen Vorgänger, wiegt nur 1664 Kilogramm und das trotz deutlich höherer Leistung.

Der V8 mit 3,9 Liter Hubraum liefert 441 kW / 600 PS, 40 PS mehr als bisher. Der Leistungsgewinn rührt von neuen Kolben und Pleuel her, sowie einem neu abgestimmten Motormanagement. Die optimierte Luftführung für eine bessere Beatmung stärkt den Achtzylinder zusätzlich, gerade Ansaugwege und ein Ladeluftkühler mit kräftigerer Wirkung leitet dem Turbolader kältere und damit dichtere Luft zu. Seine Spitzenleistung liefert der V8 bei stolzen 7500 Umdrehungen in der Minute, sein Drehmomentmaximum von 760 Newtonmetern stellt er von 3000 bis 5250 U/min bereit. Die Kraftübertragung zur Kardanwelle erledigt ein automatisches Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Gängen, über Schaltwippen hinter dem Lenkrad lassen sie sich manuell wechseln.

Am kleinen mit Leder und Karbon ummantelten Lenkrad, geht es eng zu wie im Käferzelt beim Oktoberfest. Nicht nur der rote Startknopf und die Justierung des elektronisch gesteuerten Fahrwerks müssen darauf unterkommen, auch die verschiedenen Fahrmodi lassen sich von hier aus einstellen. „Comfort“ und „Sport“ sind wählbar, außerdem kann das ESP im „Performance“-Modus abgeschaltet werden, eine Übung aber, die nur überaus talentierte oder mutige Chauffeure bestehen wollen. Denn der Portofino sieht zwar elegant und entspannt aus, soll für die Belange des Alltags keinerlei Einschränkungen mitbringen, doch liegen seine Fahrleistungen jenseits dessen, was manch ein Wagenlenker zu beherrschen vermag. 3,5 Sekunden vergehen beim Sprint von 0 auf 100 km/h, 320 km/h schafft der Portofino als Spitzentempo. Eine Geschwindigkeit, bei der selbst dreispurige, leere Autobahnen ohne Tempolimit und jedwede Kurve erbärmlich schmal werden.

Ferrari Portofino
Ferrari Portofino
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Der Portofino selbst gibt sich dabei keine Blöße, offenbart eher die Defizite des Menschen am Volant, er geht kompromisslos und doch duldsam zur Sache. Hohe Kurvengeschwindigkeiten schaffen auch Unerfahrene mit ihm, es gilt nur, das Lenkrad festzuhalten und die Biegungen mit harmonischem Schwung zu nehmen. Leichtfüßig geht der Ferrari um die Ecken, die Präzision der Lenkung beeindruckt. Kleine Korrekturen genügen, um den Kurs trotz unebener Fahrbahn zu halten, Rückmeldung vom Traktionszustand sind dabei unentwegt spürbar. Das Fahrwerk mit seinen adaptiven Dämpfern passt sich ebenfalls dem Straßenzustand an und wer es übertreibt, wird im Regelfall vom ESP eingebremst. Das ist nicht immer komfortabel, schützt aber vor kostspieligen oder gar bedrohlichen Ausrutschern. Die Federung gibt im Komfortmodus gerne den Gentleman, die Bremsen mit ihren Karbon-Keramik-Scheiben tun das auch. Zupacken können sie dennoch äußerst kräftig. Bei Tempo 100 kommt der Portofino laut Ferrari nach 34 Meter zum Stillstand.

Der Verbrauch des V8 ist klassengerecht hoch, 10,7 Liter Super Plus auf 100 Kilometer gibt Ferrari als Norm-Konsum an. Das sind satte 245 Gramm an CO2 pro Kilometer. Im Alltag ist bei zügiger Fahrt sogar mit Werten um 18 Liter zu rechnen, da werden 80 Liter Treibstoffvorrat schon mal knapp. Klangfetischisten und V8-Sound-Fans dürfte dafür das unvergleichliche Auspuffwummern entschädigen. Je nach Wahl des Fahrmodus und der Stellung der elektrisch betätigten Ventile in den beiden Auspuffsträngen bleibt es bei einem sanften Timbre oder eskaliert zu entfesselten Explosions-Feuerwerken, gegen die kein Höllenhund bestehen kann. Erinnerungen an Heintje im Stimmbruch werden geweckt, nur waren die bei weitem nicht so eindrucksvoll.

Ein Cabrio kauft, wer gerne offen fährt. Und das ist im Portofino eines der schönsten Erlebnisse, auch wenn das Windschott das Tosen der Winde im Innenraum nur mäßig mindert. Kühle Temperaturen sind ebenfalls ein Hinderungsgrund, das Aluminiumdach elektrisch zu öffnen, wärmende Gebläse für den Nacken wie bei anderen gibt es nicht. Immerhin gelingt das Öffnen oder Schließen bis Tempo 40 km/h in 14 Sekunden, angehalten werden muss dafür nicht. Fein gefaltet verschwindet die Blechmütze dann hinter den beiden Rücksitzen und mindert das mit 292 Liter ohnehin knappe Kofferraumvolumen nochmal kräftig. Trotzdem passen sogar Ski oder Golftaschen in den Laderaum, eine umklappbare Durchreiche im Fond erlaubt den Transport vom Sperrgepäck.

Ferrari Portofino
Ferrari Portofino
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Eleganz mit Sportlichkeit will der Portofino auch formal miteinander vereinen. Seine Gestalt ist deswegen markant, aber nicht aufdringlich, eindrucksvoll und doch nicht aufgesetzt. Die Lufteinlässe vorne sind geschickt hinter dem Kühlergrill verborgen, nur die großen Luftaustrittskanäle, die sich vorne hinter den 20 Zoll großen Leichtmetall-Schmiederädern in die Flanken des Cabrios graben, wirken martialisch. Innen geht es abgesehen vom Volant im Formel-1-Design eher gediegen zu. Der zehn Zoll große Monitor in der Mittelkonsole, mit dem sich die Infotainment-Anlage des Portofino kontrollieren lässt, ist Stand der Innenarchitektur, außergewöhnlich jedoch ein zweiter Bildschirm, der mit acht Zoll Größe auf der Beifahrerseite den Copiloten informiert. Tempo, Drehzahl und vor allem die Querbeschleunigung werden auf Wunsch angezeigt. Redet der anhand der erkannten Daten zu viel mit, kann der Fahrer den zweiten Monitor abschalten.

Der Portofino zeigt den Ferrari-Weg in die Zukunft. Weniger Asphaltbrüller und Burnoutmeister sollen die aus Maranello entsandten Supersportler sein, sondern vielmehr athletische Vertreter der besseren Gesellschaft, die mit geschliffenen Manieren in jeder Arena des Sports bestehen können. Denn immerhin 85 Prozent aller Kunden werden ihren Portofino als Alltagsauto benutzen, so Ferrari. In der obersten Liga spielt das neue Sportcabrio in Sachen Hochwertigkeit und Anmutung etwa bei der Instrumentierung und der Bedienung nicht. Die Zeiten der Knöpfe und Schalter aus der Fiat-Produktion sind jedoch eindeutig vorüber. Was bei einem Preis von 189 704 Euro allerdings auch zu erwarten ist.

AMPNET / JM